1. |
Zum einen kann sich der
Beobachter auf den Standpunkt des Hörers stellen und versuchen, mit
dessen (unterstellten) Relevanzsystemen zu verstehen, welche Bedeutung dieser
den Äußerungen des Sprechers zuschreibt, welchen Standpunkt und
welche Perspektive er dem Sprecher unterstellt. Voraussetzung hierfür
ist, daß der Beobachter den Standpunkt und die Perspektive des Zuhörers
für sich ausbuchstabiert. Das Ergebnis dieser Rekonstruktion der Bedeutungszuschreibung
ist eine Paraphrase.
Sie wird als Verbalisierung der Repräsentation der Äußerung
des Sprechers beim Hörer verstanden. Natürlich ist diese Paraphrase
- sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der alltäglichen Kommunikation
- eine Hypothese: man kennt die genaue Bedeutungszuschreibung nicht. Da
die Bedeutungszuschreibungen standort- und perspektivenabhängig sind,
können, je nach den unterstellten Standorten und Perspektiven unterschiedliche
Paraphrasen gebildet werden. Paraphrasen gelten insofern immer nur in Abhängigkeit
von - im Alltag selten ausbuchstabierten - situativen Bedingungen: Wenn
der Zuhörer den Standpunkt X und die Perspektive Y einnimmt, dann wird
er der Äußerung des Sprechers die paraphrasierte Bedeutung zuschreiben. |
2. |
Der Beschreiber kann sich
auch auf den Standpunkt des Sprechers stellen und versuchen, die Situationsdefinitionen
und die Intentionen, die dieser bei seinen Äußerungen verfolgt,
zu bestimmen. Wir bezeichnen dieses Herangehen im Gegensatz zu den eben
genannten Verfahren als 'interpretativ'.
Interpretative Verfahren werden von uns nur in Ausnahmefällen
und dann zusätzlich zu den rekonstruktiven Verfahren angewendet. Wir
gehen zunächst von der Hypothese aus, daß die Bedeutungszuschreibung,
die der Zuhörer vornimmt, auch diejenige Bedeutung ist, die der Sprecher
mit seiner Äußerung ausdrücken wollte. Ist dies nicht der
Fall, so nehmen wir an, daß der Sprecher in einer darauffolgenden
Äußerung selbst eine Paraphrase seiner Äußerung dahingehend
vornimmt, daß seine eigene Bedeutungszuschreibung dem Zuhörer
deutlicher wird. Eine Ausbuchstabierung der Intention des Sprechers wird
dann erforderlich, wenn die Äußerungen strategisch eingesetzt
werden. |
3. |
Der Beobachter versucht
gar nicht, sich auf den Standpunkt eines der Interaktionsbeteiligten zu
stellen, sondern er nimmt einen vorher definierten (wissenschaftlichen)
Standpunkt und ein ausbuchstabiertes Relevanzsystem ein und konstruiert
von hier aus die Bedeutung der Äußerung oder Handlung des Sprechenden/
Handelnden. Das Ergebnis solcher Betrachtungen sind wissenschaftliche 'Konstruktionen'
oder 'Kodierungen'.
Bei diesen 'Konstruktionen' geht es nicht darum, in irgendeiner Weise das
Verständsnis der Handelnden von ihren Interaktionen nachzuvollziehen,
sondern es geht darum, den Äußerungen eine Bedeutung im Rahmen
der angelegten wissenschaftlichen Heuristik zuzuschreiben. |