Ziel einer Mikroanalyse ist, möglichst viele Paraphrasen
(Bedeutungs-zuschreibungen= Bedeutungen, die durch einen Hörer der
Aussage des Sprechers zugeordnet werden können), die für das
gegebene Kommunikationssystem sozial akzeptabel sind, zu sammeln. Dies
gelingt in kleinen Forschergruppen am besten. Normalerweise ist die Zahl
der möglichen Paraphrasen sehr begrenzt.
Die ermittelten Paraphrasen werden im Forschungsprozeß in der Regel
zum Ausgangspunkt für Konstruktionen höherer Ordnungen gemacht.
Sie werden vom wissenschaftlichen Betrachter weiter bearbeitet, kondensiert
und auf theoretische Begriffe gebracht (kodiert). Die Weiterverarbeitung
von Paraphrasen ist aber nicht nur ein Geschäft der Wissenschaft,
sondern sie wird auch in den alltäglichen Zusammenhängen von
den Interaktionsbeteiligten vorgenommen.
Eine weitere Grundannahme bezieht sich auf das Verhältnis zwischen
dem Verstehen des Zuhörers und dem Verstehen des Sprechers. Wir nehmen
zunächst an, daß die Bedeutungszuschreibung, die der Zuhörer
vornimmt, auch diejenige Bedeutung erfaßt, die der Sprecher mit
seiner Äußerung ausdrücken wollte. Ist dies nicht der
Fall, so nehmen wir an, daß der Sprecher in einer darauffolgenden
Äußerung das Mißverständnis aufklärt und eventuell
selbst eine Paraphrase seiner Äußerung dahingehend vornimmt,
daß seine eigene Bedeutungszuschreibung dem Zuhörer deutlicher
wird. Reziprokes Verstehen verläuft im Alltag und in der Wissenschaft
als beständiges Hypothesentesten. Die Paraphrasen des Sozialforschers
sind nicht sicherer als jene der Zuhörer im Alltag.
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