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Andere Typologien von Beobachtung und Reflexion |
Üblicher als diese Dreiteilung ist in der wissenschaftlichen
Literatur, vor allem im systemisch-konstruktivistischen Paradigma, die bloß
binäre Unterscheidung zwischen fremd- und selbstreferentieller Wahrnehmung.1
‘Fremdreferentielle Wahrnehmung’ deckt sich mit der eben skizzierten
‘Umweltbeobachtung’! Selbstreferenz meint den (beobachtenden)
Bezug des Beobachters auf sich selbst als Beobachter. Dieser Vorgang der
Selbstbeobachtung wird häufig auch als ‘Reflexion’ bezeichnet.
Üblich ist dann die Anwendung der Unterscheidung zwischen Beobachtungen
1., 2. und höherer Stufen auf die selbstreferentielle Beobachtung:
Reflexion kann man dann als Selbstbeobachtung 2. Ordnung: Beobachtung
der Selbstbeobachtung von der ‘einfachen’ Selbstwahrnehmung
abgrenzen. Was bei diesen Ansätzen verloren geht, ist die Tatsache, das wir als psychische und als soziale Erkenntnissubjekte nicht nur Objekte (und deren Relationen) und uns selbst sondern auch die Beziehung zwischen uns selbst und den Objekten beobachten können. Wir bemerken Wechselwirkungen, Resonanz, Spiegelungen, Übertragungen usf. Diese Wahrnehmung von Relationen ist ebenso basal wie die Wahrnehmung der Objekte und des Subjekts. Sie kann natürlich ebenso wie die beiden anderen Wahrnehmungsformen auch auf die zugrundeliegenden Programme hin hinterfragt werden. Passiert dies, so ist es im informations- und kommunikationstheoretischen Paradigma sinnvoll von Reflexion zu sprechen. Reflexion ist (als Beobachtung 2. Ordnung) im triadischen Konzept sowohl die Ermittlung der Programme, die hinter der Selbst- und Umweltwahrnehmung liegen als auch jener, die der Beschreibung der Relation dienen. Jedenfalls scheint es nicht sinnvoll, die in der Philosophiegeschichte übliche Hierarchisierung zwischen den drei basalen Beobachtungsformen zu übernehmen. Traditionell gilt die Beobachtung der Beziehungen als komplizierter und jener der Objekte und Subjekte nachgelagert. Karl Marx hielt in diesem Sinne ‘Verhältnisse’ als Ursache für Mystifizierungen. Martin Buber heiligt in seinen Schriften die ‘Beziehung’ zwischen den Menschen als eigentlichen Schöpfer und als Wesen des Sozialen usf. Auch das dialektische Prinzip, die Synthese als Relationierung von These und Antithese zu denken und dieses Relationieren anderen Form des Denkens (der Dinge) als überlegen zu empfehlen, gehört in jenen Kontext europäisch neuzeitlichen Denkens. Diese Prämierung des Wahrnehmens und Denkens von Beziehungen sagt aber nur etwas über unsere Kultur und Geschichte aus. Andere Kulturen empfinden es eher als schwierig, die Dinge ‘an sich’ und vor allem unter der Absehung vom Erkenntnissubjekt zu sehen – oder auch nur sprachlich zu bezeichnen. Neues triadisches Denken kann jedenfalls die Hierarchie zwischen den drei Beobachtungsformen nicht übernehmen und vor allem kann sie die Wahrnehmung von Beziehungen nicht schon als eine höhere reflexive Tätigkeit auszeichnen und mit den Beobachtungen 2. Ordnung auf eine Stufe stellen. Der Sinn des hier vorgeschlagenen triadischen Konzepts erschließt sich besser, wenn wir die verschiedenen Formen des Zusammenwirkens betrachten. |
Das Zusammenwirken der Beobachtungstypen nach dem Phasenmodell |
Das Zusammenwirken der 3 Beobachtungsformen wird in der
Wissenschafts- und/oder Erkenntnistheorie traditionellerweise mit dem eindimensionalen,
linearen, sequentiellen Prozessmodell erklärt. Man geht davon aus,
dass es jeweils nur einen Beobachtungsprozess gibt und muss die drei Formen
deshalb nacheinander anordnen, eine Reihenfolge festlegen. Unter dieser
Prämisse ist es logisch, Selbst- und Umweltbeobachtung zur Voraussetzung
von Beziehungswahrnehmung zu erklären und diese so als die letzte Phase
wissenschaftlicher Beobachtung zu identifizieren. Meist wird die Umweltbeobachtung
an den Anfang gesetzt und als Reiz interpretiert, auf den dann Reaktionen
im Beobachter folgen, die folglich auch erst in einer zweiten Phase –
als Selbstbeobachtung – wahrgenommen werden können. Das Zusammenwirken
erscheint dann als eine lineare, kausale Verkettung vom Umweltbeobachtung,
Selbstbeobachtung und Beziehungswahrnehmung. Letztere wird als höchste
Stufe mit dem Prädikat ‘Reflexion’ ausgezeichnet. Immer mehr wird es selbstverständlich, davon auszugehen, dass diese Kette auch kreisförmig geschlossen sein kann und dann mehrfach hintereinander durchlaufen werden kann. Dabei bleibt jedoch die Reihenfolge erhalten. |
Zusammenwirken nach dem Parallelprozessmodell |
Ein ganz anderes Verständnis der Beziehung zwischen
den 3 Beobachtungsformen stellt sich ein, wenn man vom Menschen –
und ggfs. anderen beobachtenden Systemen – als massiv parallel verarbeitendem
Informationssystem ausgeht. Man kann dann annehmen, dass alle Prozesse parallel
nebeneinanderherlaufen. Es findet zu jedem beliebigem Zeitpunkt sowohl Beziehungswahrnehmung
als auch Selbst- und Umweltbeobachtung statt – allerdings mit meist
unterschiedlicher Intensität. Dieses Verständnis lässt sich
durch das dreischlaufige Knotenmodell ausdrücken. Es ist eine in jedem
Einzelfall empirisch zu entscheidende Frage, mit welcher Beobachtungsform
eingestiegen wird, und wie sich die Intensitäten verteilen. Für
diese Entscheidung ist offenbar eine weitere Form der Beobachtung erforderlich,
eine Beobachtung des Beobachtungsknotens. (Beobachtung 2. Ordnung) Erst
diese Beobachtung 2. Ordnung, die auf die Beschreibung von Ablaufmuster
und Programme aus ist, die die drei Wahrnehmungsformen steuern und zueinander
in Beziehung setzen, wird im triadischen Beobachtungsmodell als Reflexion
bezeichnet. Das Referenzobjekt der Reflexion sind Programme der basalen
Beobachtungsformen und von deren Integration. Neben der basalen Beobachtung, die selbst schon das emergente Produkt des Zusammenwirkens von drei Prozessen ist, und der Reflexion als Analyse der Programme konkreter basaler Wahrnehmungsvorgänge, gibt es noch eine weitere Stufe der Informationsgewinnung. Sie rekonstruiert Modelle und Grundannahmen, die hinter den Programmen stehen, die in den empirischen Situationen handlungsleitend und orientierungsrelevant sind. (Normalformrekonstruktion) Diese Modelle weisen grundsätzlich über den Einzelfall und die gerade beobachtete Situation hinaus. |
1 Vgl. z.B. Niklas Luhmann (1995) 1996. Die Realität der Massenmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag. S. 15, 28 u.a. |
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