Fließtext Konversationsanalytische Ansätze
   

Die Konversationsanalyse hat sich in den 60er und 70er Jahren im Kreise amerikanischer und europäischer Soziologen und Sprachwissenschaftler herausgebildet. Sie haben sich dabei weitgehend an den Kommunikationsbegriff des symbolischen Interaktionismus, der Phänomenologie von A. Schütz und der Ethnomethodologie angeschlossen.

Kommunikation wird als
 

Herstellen von Reziprozität
zwischen (zwei) Interaktionspartner
über äußere, symbolische Handlungen
die auf eine Umwelt, einen Referenzraum referieren
durch Bedeutungszuschreibungen beider Gesprächspartner
in definierten Kommunikationssituationen
zur Erreichung von anderen, sozialen Zielen)
 

verstanden.

Die Reziprozität gilt als hergestellt, wenn die jeweiligen Bedeutungszuschreibungen wechselseitig in Rechnung gestellt werden können. Dies kann durch Paraphrasen überprüft werden. Eine Paraphrase ist eine Explizierung der Bedeutungszuschreibung zu einer Äußerung.

Die Überwindung der Unvereinbarkeit der Standorte und Perspektiven der Beteiligten, der Uneinsehbarkeit des Fortganges der Interaktion, der prinzipiellen Vagheit des Symbolsystems, der Abstimmung der unterschiedlichen Handlungsziele der Beteiligten usw. ist ein permanentes Problem der Kommunikation.

Die Konversationsanalyse befaßt sich mit der Frage, wie diese Probleme gelöst werden. Im Unterschied zu A. Schütz begnügt sie sich nicht mit dem Hinweis auf allgemeine Idealisierungen (Unterstellungen, Erwartungserwartungen), sondern sie versucht, an empirischen Daten natürlicher Gesprächsabläufe die jeweiligen konkreten Ordnungsstrukturen zu ermitteln.

In diesem Sinne definierten W. Kallmeyer und F. Schütze 1976: "Unter Konversationsanalyse möchten wir verstehen die empirische Erforschung von sprachlichen Texten, die in natürlichen Kommunikationssituationen hervorgebracht, mit elektronischen Mitteln aufgezeichnet und gespeichert sowie unter dem Gesichtspunkt der Strukturen des Kommunikationsablaufs, der Aktivitäten der beteiligten Interaktionspartner und/oder der von diesen getätigten Bedeutungsvoraussetzungen und -zuschreibungen transkribiert und analysiert werden" (dies.: Konversationsanalyse, in: Studium Linguistik, Heft 1, 1976, S. 1 - 28)

Kommunikation verstehen Sie als "symbolische Interaktion mit Hilfe des Mediums Sprache": "Zu den Grundbedingungen der Kommunikation gehören ihr dialogischer Charakter, die Interpretation von ausgetauschten Symbolen und die Konstitution der Symbole sowie des Symbolaustauschs als Abfolge in der Zeit." (ebenda S. 9).

Faktisch haben sich sehr bald zwei verschiedene konversationsanalytische Schulen herausgebildet, die unterschiedliche Schwerpunkte in ihre Arbeit setzen.
 

1.

H. Sacks, E. Schegloff, G. Jefferson, J. Schenkein, R. Turner, J. Streeck und andere Vertreter der sogenannten formalen Konversationsanalyse haben sich auf die Beschreibung der dynamischen Strukturen des Gesprächsablaufs, dem Turn - Taking - System konzentriert.

 
Fliesstext
2. Die ethnomethodologische Konversationsanalyse (A. Cicourel, B. Mehan u.a.) hat sich mehr den Prozessen der Bedeutungsproduktion und ihrer Interpretation zugewandt.

Die in den 70er Jahren in Deutschland einsetzende konversationsanalytische Forschung hat sich mit den "weiträumigen Ordnungsstrukturen" der Kommunikation beschäftigt und versucht, ihrer Abhängigkeit von sozialen Handlungszielen nachzugehen (Kallmeyer, Schütze, Bergmann). In den 80er Jahren haben dann vor allem Sprachwissenschaftler die "Dialog-" oder "Gesprächsanalyse" weitergeführt und ausführliche Strukturbeschreibungen verschiedener Typen von Kommunikationssituationen erarbeitet. Psychologen und Ethologen konzentrierten sich auf die sogenannte "non-verbal" - Kommunikation und entwickelten ein differenziertes Instrumentarium zu ihrer Beschreibung. In dieser Richtung werden als Datenmaterial natürlich vor allen Dingen Videoaufzeichnungen herangezogen.