Fliesstext Die Untersuchung von Instruktionen über instrumentelles Handeln
   
Die Bedeutung der Untersuchung von Instruktionen für die Kommunikative Sozialforschung
Jede alltägliche Instruktion ist in gewisser Weise eine Analyse und Beschreibung nonverbalen Verhaltens - und wenn sie gut ist, sogar von nonverbaler Kommunikation.
Die Aufgabe bei der Instruktion ist es ja, Handlungen und deren Medien und Begleitumstände zu erklären. Dazu müssen diese Handlungen zerlegt werden. Dies setzt für den Instrukteur eine Analyse voraus. Viele Sequenzen müssen darüber hinaus auch detailliert beschrieben und sprachlich benannt werden. Soll der Laie solche Erklärungen verstehen, muß auch auf seinen Kenntnisstand und sein Fähigkeitsniveau eingegangen werden. Der Experte richtet sich in seiner Sequenzierung und Präsentation nach dem Fähigkeitsniveau des Laien. Er regelt seine Instruktion nach den 'Maßen' des Laien. (Maßregelung) So gesehen setzt Instruktion immer auch Kommunikation, Abstimmen von Verhalten und Erleben voraus.
Weil jede alltägliche Instruktion eine Analyse nonverbalen Verhaltens ist, deshalb kann man aus ihrer kommunikationswissenschaftlichen Beobachtung etwas über die Methoden nonverbaler Kommunikationsanalyse lernen.
Geht man so vor, dann wird andererseits deutlich, daß auch die Analyse nonverbalen Verhaltens in der Kommunikativen Sozialforschung im wesentlichen nur eine Radikalisierung alltäglichen Verhaltens und alltäglicher Beschreibungsroutinen ist. Es verhält sich also hier genauso wie bei der Untersuchung verbaler Kommunikation.
Indem wir nonverbales Verhalten mit den Mitteln der Kommunikativen Sozialforschung untersuchen, betreiben wir Selbstaufklärung. Wir erkennen die Normalformen unseres alltäglichen kommunikativen Verhaltens, die bis dato dieses aber nur latent bestimmt haben.
 
Die instrumentellen Instruktionen als Prototyp multimedialer face-to-face-Kommunikation
Die instrumentellen Instruktionen sind ein, wenn nicht der Prototyp multimedialer Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Sie klappen nur dann befriedigend, wenn verbale, visuelle und taktile (haptische) Medien gemeinsam verwendet werden.
Die Untersuchung dieses Kommunikationstyps kann uns also helfen, das Zusammenwirken verschiedener Medien in face-to-face-Kommunikationssystemen zu erhellen. Weniger sinnvoll ist es, bei diesem Beispiel demgegenüber nur verbale oder nur visuelle Medien zu analysieren. Dies liegt daran, daß das praktische Handeln vielfach die Leitgröße ist, sprachliche Beschreibungen nur gelegentlich, vorzugsweise nur an kritischen Stellen auftauchen.
Die nachfolgende Abbildung faßt die Medientypen und ihre wichtigsten Funktionen (Kodierungen) bei face-to-face Interaktionen zusammen. Es wird dabei zwischen einer modellierenden und einer deiktischen (zeigenden) Funktion unterschieden. Letztere steuert die Blickrichtung/Aufmerksamkeit. Erstere simuliert Handlungen oder Gegenstände, modelliert sie in einem anderen Medium.
 
Medientypen und ihre Funktionen bei Instruktionen
 
visuell gestisch deiktisch
gestisch modellierend
       
akustisch deiktisch (setzt visuellen Kanal voraus)
sprachlich begrifflich (Worte, Sätze, Texte) (modellierend)
lautmalerisch (modellierend)
       
taktil
(haptisch)
Hand führen lassen (deiktisch)
selbständiges praktisches (Nach) Machen (modellierend)
       
Instruktionen als soziale Informationsverarbeitung
Während man im Allgemeinen nicht sicher sein kann, wie sozial die verschiedenen nonverbalen Kommunikationssysteme sind, liegen bei der großen Klasse von Instruktionen immer Sozialisierungsphänomene vor. Es geht nicht in erster Linie um eine gemeinsame Informationsverarbeitung in dem Sinne, daß die Beteiligten etwas Neues schaffen wollen, sondern darum, dem Laien die gleiche Informationsverarbeitung zu ermöglichen, die auch der Experte vornimmt. Das Wissen des Experten soll verbreitet, sozialisiert werden. Hinzu kommt, daß vorzugsweise diejenigen Informationen bzw. Handlungen in Instruktionen weitergegeben werden sollen, die sozial ausgearbeitet sind und die zur Reproduktion der betreffenden Gesellschaft wichtig sind. Dies gilt jedenfalls ganz offensichtlich für alle schulischen und universitären Instruktionen. (Vgl. die Einleitungsabschnitte in: Giesecke: Instruktionssituationen in Sozialisationsinstitutionen... in: Hans-Georg Soeffner (Hg.) Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften, Stuttgart 1979, S. 38 - 64) Kommunikationstheoretisch formuliert könnte man sagen, daß es bei den Instruktionen um das Kopieren von Programmen geht. Die Komplikation besteht u. a darin, daß die Hardware unterschiedlich ist - und deshalb die Programme modifiziert werden müssen. Hardware meint hier, die Kompetenz der Beteiligten, insbesondere natürlich des Laien. Bei identischen Programmen und unterschiedlicher Hardware würden unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, anders ausgedrückt: Die kulturellen Arsenale würden nicht kopiert. Aus diesem Grunde müssen die Programme instrumentellen und anderen Handelns und Erlebens immer auf die jeweiligen Beteiligten zugeschnitten werden. Sie sind nur die Folie, vor deren Hintergrund dann der Ablauf der Instruktion im einzelnen ausgehandelt wird. Die allgemeinen Programme müssen quantitativ gemaßregelt werden.
Andererseits ist die gesellschaftliche Ausarbeitung von allgemeinen Programmen, die dann notwendig ungenau sind, eine unausweisliche gesellschaftliche Aufgabe. Es ist hier wie bei der Aufstellung sozialer Normen. Sie müssen allgemein formuliert werden, sind damit in jedem Einzelfall unzureichend und ergänzungsbedürftig! Hier kann man leicht einen Zusammenhang zu anderen Typen sozialer Normalformen und überhaupt zu allen kybernetischen Regelungsprogrammen herstellen: Sie sind Richtwerte mit einer breiten Toleranz. Hätte sie diese nicht, so wäre das System handlungsunfähig. Es müßte beständig auf Unter- oder Überschreitungen des Richtwertes reagieren.
 
Das allgemeine 'Ablaufschema von Instruktionen' und die 'Prinzipien von Handlungserklärungen' fassen die zwei nachfolgenden Übersichten zusammen.
 
Abb. Ablaufschema von Instruktionen über instrumentelles Handeln
 
1. Einleitung/Systemkon-stitution: Kompetenzdefizit feststellen; Rollen (Experte: Laie) festlegen
2. Vorstrukturierung Muster für die Problemlösung liefern (qualitativ)
3. Durchführung: Praktisches Handeln
4. Ratifizierung: Ergebnis feststellen
5. Nachstrukturierung: verbale Rekonstruktion des Vorgehens
6. Auflösung:  
 
Abb.: Prinzipien von Handlungserklärungen
 
Die komplexe Gesamthandlung in Teilhandlungen zerlegen; so lange bis
Handlungen erreicht sind, die der Laie kennt/ausführen kann. Achtung: Repräsentationsniveau beachten!
Den Algorithmus der Gesamthandlung angeben (Synthese). Kann praktisch (Vormachen), sprachlich-begrifflich, durch Zeichnungen u.a. geschehen.
Es gibt keine allgemeingültige Regel darüber, in wieviele und in welche Teile die Gesamthandlung zu zerlegen ist!
Der Grad hängt von den Fähigkeiten des Laien ab.
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