Fliesstext Kommunikationswissenschaft als Subsystem etablierter Einzelwissenschaften

 

 

Praktisch alle Disziplinen haben in den vergangenen Jahrzehnten begonnen einzelne Prozesse in ihren Objektbereich als ‘Informationsverarbeitung’ und/oder als ‘Kommunikation’ zu bezeichnen. Medien- und Informationskonzepte bestimmen Teile der Fachdiskussion in vielen etablierten Disziplinen.
Dieses Verständnis von ‘Kommunikation’ konstituiert keinen eigenständigen Objektbereich, vielmehr werden einzelne Objekte und Probleme einer mehr oder weniger etablierten Wissenschaft als ‘kommunikativ’ bezeichnet. Dies ist bspw. der Fall, wenn die Sprachwissenschaft das ‘Sprechen’ – z.B. im Sinne der Performanz der langue – als ‘Kommunikation’ auszeichnet, wenn in der Psychologie das wechselseitige Wahrnehmen von Personen – nach welcher Theorie psychischer Wahrnehmung auch immer – als ‘Kommunikation’ bezeichnet oder wenn Soziologen irgendeine Form sozialen Handelns als kommunikative anderen, z.B. instrumentellen gegenüberstellen. Regelmäßig werden bei diesen Konzeptionen Modelle verwendet, die sich schon in anderen Kontexten der Einzelwissenschaft bewährt haben. Grundsätzliche neue Modelle entstehen nicht. Gleiches gilt auch für medienwissenschaftliche Konzepte, die ihren Medienbegriff aus dem Theorienarsenal von Einzelwissenschaften entlehnen.
Mittlerweile sind Konzepte von Kommunikation als Sprachverwendung, als interpersonelle Wahrnehmung (Watzlawick et. al.), als soziales Handeln (Habermas) oder als soziale Systembildung (Luhmann) schon in das Alltagswissen eingegangen und werden als Selbstverständlichkeit hingenommen.
Diese Konzepte treten nicht als kommunikations- oder medienwissenschaftliche Kommunikations -und/oder Medientheorien auf – und sie sollten auch als das bezeichnet werden, was sie ihrer Anlage nach sind: sprachwissenschaftliche, soziologische, psychologische aber eben keine kommunikationswissenschaftlichen Kommunikations- und Medientheorien.

Leitfaden:Positionen der Kommunikationswissenschaften