Fliesstext Die Kommunikations- und Medienwissenschaft als Beratungsprojekt für die Informationsgesellschaft (posttypographische Kultur)

 

 

Die hauptsächliche Funktion der traditionellen Disziplinen war und ist die Bereitstellung von Wissen: Beschreiben, Erklären und Verstehen. Wissensvermittlung und Instruktion auf Vorrat. Deshalb wurden sie auch als Teil des Bildungssystems verstanden. Die Universitäten setzten die Instruktion, die an der Schule beginnt, fort. Zusätzlich haben sie mit und in der Forschung die Aufgabe neues Wissen zu schaffen. Beide Aufgaben; Instruktion und Wissensschöpfung bleiben bestehen. Eine dritte Aufgabe, die auch schon in geringerem Umfang und in wenig institutionalisierten Formen angegangen wurde, ist die Beratung.
Beratung wird hier nicht als Instruktion verstanden, obwohl Wissensvermittlung immer Bestandteil einigermaßen komplexer Beratungsprozesse ist. Bei der Beratung handelt es sich vielmehr um eine komplexe kommunikative Kooperationsform, die zusätzliche Programme sozialer und individueller Selbstreflexion nutzt.
Es spricht vieles dafür, dass der allgemein in unserer Gegenwart zu beobachtende Aufschwung von Beratung in Politik, Wirtschaft, Familie und anderen Bereichen auch neue Chancen und Aufgaben für die Wissenschaften eröffnet. Nicht nur der einzelne Wissenschaftler, sondern auch Institutionen und Projekte werden mit Beratungsfunktionen von den unterschiedlichsten Abteilungen der Gesellschaft angeheuert. Dies verändert die Arbeitsformen, Glaubenssätze und vor allem auch die Ziele der wissenschaftlichen Arbeit. Bislang vollzieht sich dieser Prozess allerdings eher hinter dem Rücken der betroffenen Institutionen. Seine Konsequenzen sind weder wissenschaftstheoretisch noch organisationspraktisch ausreichend reflektiert. Die gesamte universitäre Wissenschaftsstruktur sowie die Ziele der Forschung und die Präsentation ihrer Ergebnisse werden sich in dem Maße verändern, in dem sich die Nische der Wissenschaften in kulturellen Ökosystemen verschiebt. Eine Zunahme von Beratungsfunktionen und damit auch eine Abnahme der Instruktionsfunktionen schafft alternative Wissenschaftsformen.
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(1) Gernot Böhme, Wolfgang von Daele und Wolfgang Krohn haben einen Teilaspekt dieses kulturgeschichtlichen Prozesses schon vor vielen Jahren als ‘Finalisierung der Wissenschaft’ beschrieben. (in Werner Diederich: Theorien der Wissenschaftsgeschichte, Ffm 1974, S. 276-311).

Leitfaden:Positionen der Kommunikationswissenschaften