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Wissenschaftstheoretische Grundlagen der
Kommunikationswissenschaften
 
1. Die differentielle Kommunikationswissenschaft als Metadisziplin

 
Wenn man davon ausgeht, dass sich die klassischen Einzelwissenschaften (Psychologie, Soziologie, Linguistik, Physik, Chemie usw.) selektiv/abstraktiv zu irgendwelchen alltäglichen Wirklichkeiten verhalten und insofern auf einer anderen logischen Ebene (1) als diese Wirklichkeit (0) liegen, so werden die Kommunikationswissenschaften, die sich mit sozialer, psychischer, neuronaler usw. Informationsverarbeitung beschäftigen, auf einer Metaebene (2) zu jener der Basisdisziplinen liegen. Ihre Erkenntnisse und Modelle hängen jedenfalls von jenen dieser Basisdisziplinen ab. Sie hängen des weiteren von noch allgemeineren Metamodellen über Kommunikation und Informationsverarbeitung ab.
 
Tab. 1: Differentielle Kommunikationswissenschaft als Metadisziplin
 

Ebenen
Wirklichkeiten
0
Alltag, Natur
1
Modellwelt der traditionellen Einzelwissenschaften
(Psychologie, Physik, Chemie....)
2
kommunikations-/informationstheoretische Modelle über die Modellwelten der Einzelwissenschaften
3
Metamodelle der allgemeinen Kommunikationswissenschaften
 
2. Die ökologische Kommunikationswissenschaft als
transdisziplinäre Wissenschaft

 
Diejenigen Disziplinen der Kommunikationswissenschaft, die sich mit menschlichen und kulturellen Kommunikationssystemen oder mit anderen ökologischen Objektbereichen befassen, haben einen transdisziplinären Charakter, wie etwa die Biochemie, die Technikwissenschaften, die Pädagogik, Politik usf.
Transdisziplinäre Wissenschaften nutzen nicht nur die Modelle und Erkenntnisse der Basiswissenschaften, sie können ihren Objektbereich nur durch disziplinenübergreifende, sehr allgemeine Theoriemodelle festigen.
 
Tab. 2: Die ökologische Kommunikationslehre als transdisziplinäre Wissenschaft
 

Ebenen
Wirklichkeiten
0
Alltag, Natur
1
Modellwelt der traditionellen Einzelwissenschaften
(Psychologie, Physik, Chemie....)
2
Transdisziplinäre Modellwelt, z.B. der Biochemie, Pädagogik, kulturellen Kommunikationswissenschaften
3
Metamodelle über 0,1,2: Kybernetik, Systemtheorie, allgemeine Kommunikationstheorie und Informatik, ...
 
Die Untersuchungszellen der transdisziplinären Modellwelt werden häufig durch Rückgriff auf Module der Alltagswelt konstruiert: Erziehung, Schule, parlamentarische Demokratie, Mensch, usf. Jedenfalls können die Elemente der einzelwissenschaftlichen Modellwelten (1., z. B. Atome, Zellen, soziale Rollen und Handlungen ...) nicht zur grundlegenden Untersuchungszelle der verschiedenen transdisziplinären Modellwelten (2) gemacht werden.
 
alltägliche Kommunikationsmodelle
einzelwissenschaftliche Kommunikationsmodelle
interdisziplinäre Kommunikationsmodelle
    
3. Theoretische Voraussetzungen für die allgemeine und ökologische
Kommunikationswissenschaft
 
allgemeine Systemtheorie
Kybernetik
interdisziplinäre Kommunikationsmodelle
Emergenztheorien
Entwicklungs- und Veränderungstheorien (Synergetik, Chaostheorie, Koevolution u.a.)
Daneben gibt es auch
methodologische Voraussetzungen
 
4. Die kommunikative Welt als Objektbereich der allgemeinen Kommunikationswissenschaft- die elementaren Untersuchungszellen:

Eine Disziplin hat sich erst dann konstituiert, wenn sie neben Vorstellungen über ihre elementaren Untersuchungszellen auch solche über deren Zusammenwirken entwickelt hat. Sie muss die Parameter des 'Raumes' angeben, in dem sich die einzelnen Modelle befinden und bewegen.
Die Parameter sind
epistemologisch - informationstheoretisch
topologisch - netzwerktheoretisch
ontologisch - spiegelungstheoretisch
 
5. Methodologische Voraussetzungen einer allgemeinen und ökologischen Kommunikationswissenschaft
 
Nicht nur Kommunikation als Gegenstand, sondern als Methode.
Nicht Erforschung von Kommunikation mit den bekannten Methoden der traditionellen Einzelwissenschaften, sondern mit selbstreferentiellen neuen Methoden
Vgl. Kommunikative Welt und soziale Systeme!
Ökonomieprinzip
    
6. Wissenschaftspraktische Grundlagen
 
Die grundsätzliche Funktion der Human-, Sozial- und Kulturwissenschaften ist die Formulierung von Modellen, die als Selbstbeschreibung (Programm) für die Menschen, soziale Systeme und Kulturen fungieren können. Informationstheoretisch ausgedrückt geht es also darum, eine Software zur Verfügung zu stellen, die geeignet ist, die vorfindlichen Abläufe zu modellieren und ggf. zu optimieren.
Die zweite Funktion ist dann entsprechend die Beschreibung und ggf. Verbesserung der Hardware, also z. B. der Vernetzungsstrukturen, der Technik usf.
Der traditionellen Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Wissenschaften bzw. Modellen liegt eine zweifache Funktionsbestimmung zugrunde: einerseits soll eine zutreffende, modellhafte Beschreibung beliebiger Wirklichkeitsausschnitte erfolgen (Anamnese), andererseits sollen diese Wirklichkeitsausschnitte verändert werden, Blockaden aufgehoben, Defekte repariert, Prozesse optimiert werden.
Als dritte Aufgabe wird oftmals noch die Erklärung, also die Diagnose der beschriebenen Phänomene benannt.
Man kann diese drei Funktionen oder Komponenten (Beschreibung, Erklärung, Anwendung) auch als Phasen in einem Beratungsprozess verstehen und würde dann von Anamnese, Diagnose und Therapie sprechen.
 
7. Erkenntnistheoretische Grundlagen der Kommunikationswissenschaften
 
Jede Theorie der Informationsverarbeitung und Kommunikation ist, insofern sie von Menschen formuliert, wahrgenommen und sozial kommuniziert wird, anthropozentrisch. Was informativ ist, hängt von den menschlichen Sinnen und seinen Äußerungsmöglichkeiten ab.
Vgl.: Theoretische Grundlagen/Information und Emergenz/ontologischer Informationsbegriff sowie methodische und methodologische Grundlagen (der kommunikativen Sozialforschung)