Theoriediskussion Ebenen und logische Typen: ontologische und strukturelle Emergenz von Informationen

 

 

Ohne eine Typologie logischer Ebenen, wie sie bspw. von Bertrand Russell und Alfred North Whitehead in ihrer‚Principia Mathematica' zu Beginn unseres Jahrhunderts vorgeschlagen und begründet wurde, lässt sich die Multivalenz von Informationsmedien nicht verstehen.[1] Die schichtenweise Klärung von Bedeutungen kommunikativer Ereignisse in der Gesprächsanalyse hat, wie überhaupt die Rede von ‚Bedeutungsebenen', die Annahme eines entsprechenden Theorieparameters zur Voraussetzung.[2]
Für Gregory Bateson bildet die Typenlehre von Russell und Whitehead überhaupt den Einstieg in die Kommunikationstheorie: "Unser Forschungsansatz beruht auf dem Teil der Kommunikationstheorie, den Russell die ‚Theorie der logischen Typen' genannt hat. Die zentrale These dieser Theorie besagt, dass zwischen einer Klasse und ihren Elementen eine Diskontinuität besteht. Die Klasse kann weder ein Element ihrer selbst sein, noch kann eines ihrer Elemente die Klasse sein, da der für die Klasse gebrauchte Terminus einer anderen Abstraktionsebene - einem anderen logischen Typ - angehört, als die auf die Elemente anwendbaren Termini. Wenn nun in der formalen Logik der Versuch unternommen wird, diese Diskontinuität zwischen einer Klasse und ihren Elementen zu erhalten, treten wir dafür ein, dass diese Diskontinuität in der Psychologie realer Kommunikationsabläufe kontinuierlich und unausweichlich durchbrochen wird, und dass wir a priori mit dem Auftreten einer Krankheit im menschlichen Organismus rechnen müssen, wenn gewisse formale Muster dieser Durchbrechnung in der Kommunikation zwischen Mutter und Kind auftreten.[3]
 
Die Ordnung der Kommunikation besteht m.a.W. nicht darin, dass eine bestimmte Ebene eingehalten wird. Vielmehr findet ein Wechsel der Ebenen statt. Unterbleibt dieser oder folgt er keinen kommunikativen Normalformen, so kommt es zu krankhaften Störungen.
 
Obwohl in dieser Passage sowohl von (Abstraktions) ‚Ebenen' als auch von ‚Typen' gesprochen wird, suchen wir in Batesons Arbeiten vergeblich nach einer Bestimmung der Unterschiede zwischen diesen beiden Parametern. So deutlich einerseits der Unterschied zwischen den Begriffen Element und Klasse im Rahmen logischer Argumentation ist, so ungeklärt bleibt andererseits das Verhältnis zwischen Ebenen und Typen in der psychologischen Kommunikationstheorie von Bateson.
 
Diese Unklarheit hat schon in den 50er Jahren in den Forschungsprojekten über therapeutische Kommunikation in Kalifornien zu ganz verschiedenen Deutungen geführt.
 
Auch außerhalb der Fachkreise ist das von Jay Haley entwickelte Konzept des ‚Double-Bind' bekannt geworden. Es erklärt schizophrene Phänomene als rekurrente Vertauschungen zwischen den ‚Ebenen' oder ‚Typen' der Kommunikation in Familiensystemen oder in dyadischen Systemen. Watzlawick/Beavin/Jackson haben diese Ideen in ihrem Bestseller ‚Menschliche Kommunikation' aufgegriffen und in mehrere Richtungen entwickelt. Dadurch hat sich die Anwendungsbreite des Kategorienpaares weit ausgedehnt. Als Problem der logischen Typen wird in diesem Buch aufgefaßt:
Das Verhältnis

 

zwischen der ‚Sache' und dem Namen der Sache,
der ‚wörtlichen' und der ‚übertragenen' Bedeutung (Metapher, Ironie),
der sprachlichen Äußerung (Namen) und Reflexionen über die Äußerung (Metakommunikation),
der Klassifikation und Metaklassifkation (z.B. Geschwindigkeit und Beschleunigung, Art und Gattung),
dem Lernen und dem Lernen des Lernens (und allen anderen Deuteropraxen) sowie
der verbalen Äußerung und non-verbalen oder gestischen und mimischen ‚Äußerungen' (den verschiedenen Kanälen der Kommunikation).
    
Auch N. Luhmann verwendet in seinen Arbeiten die Begriffe ‚Ebene' und ‚Typ'. In älteren Arbeiten geschieht dies zunächst ähnlich schwankend wie bei G. Bateson.[4] In seinem ‚Grundriß einer allgemeinen Theorie' über ‚Soziale Systeme' bemüht er sich dann gleich eingangs um eine explizite Einführung dieser Begriffe als ‚Abstraktionsschema'. In einer Skizze werden drei ‚Ebenen der Systembildung' unterschieden.[5] Auf der ersten Ebene liegt die ‚Systembildung' der ‚allgemeinen Systemtheorie': ‚Systeme'. Auf der zweiten Ebene werden die Typen ‚Maschine', ‚Organismen', ‚soziale Systeme' und ‚psychische Systeme' angeführt. Soziale Systeme werden auf einer dritten Ebene noch einmal in ‚Interaktion', ‚Organisation' und ‚Gesellschaften' differenziert. Abgesehen von der ersten Ebene gibt es also auf jeder Ebene mehrere Systemtypen oder ‚Arten'. "Die Unterscheidung von Ebenen soll fruchtbare Vergleichshinsichten festlegen." (Ebenda: 17) Sie hat gleich allen Taxonomien einen "mehr oder weniger intuitiven Ursprung" (Ebenda: 18) und normative Geltung: "Vergleiche zwischen verschiedenen Arten von Systemen (!) müssen sich an eine Ebene halten." (Ebenda: 17)
Die Unterscheidung wird m.a.W. als eine Leistung des Betrachters begriffen - nicht als eine Leistung der Dinge.[6] Hier setzt sich m.E. eine bloß konstruktivistische Interpretation des Ebenenkonzepts fort, die in dem Buch ‚Menschliche Kommunikation' begonnen hat, die aber von G. Bateson so nicht intendiert war. Sein Verdienst ist ja nicht nur, überhaupt auf die Notwendigkeit hingewiesen zu haben, logische Typen und Ebenen in Kommunikationstheorien zu unterscheiden. Ebenso wichtig ist gewiß sein Hinweis auf den unterschiedlichen Gebrauch, den von diesen Parametern Logik einerseits und eine Theorie sozialer Kommunikation andererseits zu machen haben: Die Logik muss die Ebenen auseinanderhalten, um ihre Ziele zu erreichen, ‚wahre' Aussagen zu produzieren. Die Kommunikationstheorie hat davon auszugehen, dass die Durchbrechung der Ebenen genau dasjenige Phänomen ist, welches es zu modellieren gilt. Der kommunikativen Welt wird mit anderen Worten von Bateson erstmals eine Gliederung in Ebenen (ontologischer Parameter) zugeschrieben, die Durchbrechung dieser Ebenen wird als ‚Wesensmerkmal geistiger Prozesse' aufgefaßt.
Ich denke, man muss zwischen verschiedenen Emergenztheorien - und damit auch unterschiedlichen Begriffen von Information - unterscheiden: Es gibt eine ontologische Emergenz, d.h. unterschiedliche Seinsstufen von Materie, eine strukturelle Emergenz und natürlich auch die von Watzlawick et. al. und Luhmann vorrangig angesprochene epistemologische Emergenz. In epistemologischen Paradigmen erscheinen die Ebenen als Pyramide der Beobachtung, von Beobachtungen von Beobachtungen usw. Im strukturellen Paradigma haben wir es immer mit Unterscheidungen zwischen Elementen und Systemen, Teil: Ganzes-Beziehungen zu tun. Dieser Perspektive kommt die Typenlehre der Logiker am nächsten. Im ontologischen Paradigma akzeptieren wir die unterschiedlichen Emergenzformen der Materie in der einen oder anderen Feinabstufung.

[1] dt. Taschenbuchausgabe, Frankfurt (Suhrkamp) 1986, S. 397ff.
[2] Giesecke/Rappe-Giesecke: Supervision als Medium kommunikativer Sozialforschung. Ffm 1998, S. 397ff
[3] G:. Bateson: Ökologie des Geistes, Ffm 1983, S. 271. Vgl. a. Ders.: Geist und Natur. Eine notwendige Einheit, Ffm 1984, S. 146
[4] 'Interaktion, Organisation, Gesellschaft' in: Ders.: Soziologische Aufklärung, Bd. 2. Opladen 1975, S. 20/21
[5] Ders.: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Ffm 1984, S. 16
[6] Daran ändert auch die anschließende Einführung der Möglichkeit der "Selbstabstraktion" der ‚Gegenstände' nichts. Sie zeigt vor allem die Notwendigkeit zwischen verschiedenen Ebenen - und Emergenztheorien zu unterscheiden. (Vgl. Ebd. S. 16/7)