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Mono- und multimediale Spiegelungen |
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Grundsätzlich kann man Spiegelungen zwischen gleichartigen
und zwischen verschiedenartigen Medien unterscheiden. Bei gleichartigen
Spiegelungen bleiben wir auf einem Emergenzniveau und kommen deshalb auch
mit einer Theorie über ein einzelnes Medium aus. Von einem solchen
monomedialen Ansatz unterscheidet sich der multimediale, der Spiegelungen
zwischen unterschiedlichen Medienarten aufdecken will, von vornherein durch
eine größere Komplexität. Meist erfordert und fördert
er transdisziplinäres Herangehen. Ich denke, daß die Ausarbeitung
multimedialer Spiegelungstheorien ein Gebot unserer Gegenwart ist. Die Industrie-
und Buchkultur hat durch ihre Prämierung der Arbeitsteilung und des
typographischen, sprachlichen Mediums die Erforschung von Zusammenhängen
zwischen gleichartigen Phänomenen enorm vorangetrieben. Nun geht es
darum auch die Ähnlichkeiten im Unterschiedlichen zu erkennen. Grundsätzlich kann man sagen, daß Spiegelungen zwischen unterschiedlichen Medien zu geringerer Redundanz führen. Vollständige Metamorphosen zwischen den Medien sind in dieser Konstellation unerreichbar. Aber gerade deshalb liegen hier große Entwicklungspotentiale. Nur unvollständige Metamorphosen durchbrechen die Reproduktion des immer gleichen und schaffen Raum für neuartige Entwicklungen, für Evolution. Weil Strukturähnlichkeiten zwischen unterschiedlichen Emergenzformen der Materie schwer erkennbar sind, sind in kulturell relevanten Bereichen spezielle Schulungsprogramme erforderlich. Das bekannteste Beispiel ist vielleicht die Schriftsprache. Die Kopplung zwischen der psychischen Repräsentation und den schriftsprachlichen Zeichen ist so locker, daß es erst mehrjährige Trainingsprogramme den Schülern ermöglichen, die Verbindungen herzustellen. Viel schneller gelingt es, die Ähnlichkeit zwischen den Buchstaben zu erkennen, gleiche' Worte zu identifizieren. Aber schon der Wechsel zwischen unterschiedlichen Schriftarten erschwert im Erstleseunterricht den Kindern das Lesen, also die Identifizierung gleicher Buchstabenkombinationen. Hieran wird eine zweite grundsätzliche Regel deutlich: Die Entscheidung
darüber, was unterschiedliche Medien sind, ist natürlich auch
relativ - und zwar abhängig vom Beobachter. Die eingangs dieses Kapitels
vorgenommene allgemeine Unterteilung in die verschiedenen Emergenzniveaus
erfolgte im Einklang mit der neuzeitlichen Wissenschaftssystematik - also
quasi vom Standpunkt eines allgemeinen wissenschaftstheoretischen/philosophischen
Betrachters. Daneben gibt es in jeder Disziplin/auf jeder Seinsstufe wiederum
viele Abstufungen. Von einem Konsens darüber, was unterschiedliche
Medien(arten) sind, sind wir weit entfernt. Aber vermutlich bedarf es
eines solchen auch gar nicht. Je nach den Funktionen des Vergleichs wird
man in den Bereichen, in denen keine Typologien gesellschaftlich vorgezeichnet
sind, aktuell und pragmatisch entscheiden. Aber so ordnen wir auch im
Alltag die nämlichen Phänomene mal gleichen und mal unterschiedlichen
Medienklassen zu, je nach dem Anlaß bzw. dem Katalysator des Vergleichs.
Männer und Frauen lassen sich beispielsweise in vielen Hinsichten
als gleiche Medien behandeln und sie tun dies selbst ebenfalls. Es gibt
aber Situationen, in denen die Unterschiede wesentlich werden und das
Feststellen von Ähnlichkeiten etwas Irritierendes' bekommt.
Eine solche Situation haben wir mit ihren Konsequenzen für die Dynamik
von Spiegelungen ausführlich untersucht. Möglich scheint auch
ein anderes Herangehen: Wenn Spiegelungen problematisch, irritierend,
kaum wahrnehmbar sind, dann handelt es sich bei den verglichenen Medien
um solche, die auf unterschiedlichem Emergenzniveau liegen. |