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Der selbstreflexive Charakter sozialer Kommunikation |
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Folgt man dem informationstheoretischen Paradigma, dann kann man Kommunikation als einen Spezialfall von Informationsverarbeitung begreifen. Mindestvoraussetzung für Kommunikation scheint zu sein:
Die verschiedenen Modelle von sozialer Kommunikation unterscheiden sich danach, welche weiteren Bedingungen für (erfolgreiche) Kommunikation in Anschlag gebracht werden. Ein mögliches zusätzliches Kriterium, welches gerade der informationstheoretische Ansatz nahe legt, ist Selbstreferentialität oder Selbstreflexivität. In der Tradition der Wissenssoziologie (A. Schütz), der Theorie interpersoneller Interaktion von Ronald D. Laing oder auch der Theorie selbstreferentieller (sozialer) Systeme von N. Luhmann kann man i. d. S. fordern, dass die beteiligten Personen ihre Informationsverarbeitung wechselseitig als Kommunikation definieren müssen. D. h., wenn ein Kommunikator in einem Zweiergespräch nicht kommunizieren will oder wenn er davon ausgeht, dass der andere nicht kommunizieren will, dann findet keine Kommunikation statt. Zumindest für die interpersonelle face-to-face-Kommunikation scheint diese Bedingung sinnvoll. Diese Voraussetzung führt zu einer auf den ersten Blick verwirrenden Reflexionspyramide: Die Beteiligten nehmen einander nicht mehr nur wahr, sondern sie nehmen auch wahr, dass sie selbst wahrgenommen werden, und darüber hinaus, dass dieser Prozess auch noch einmal wahrgenommen wird. Wahrnehmung der Wahrnehmung der Wahrnehmung. Unter diesem Reflexionsniveau gibt es keine interpersonelle Kommunikation. Und diese Verkettung der Wahrnehmungen führt immer zur Systembildung und zur Wahrnehmung der Systembildung - und das heißt zur Selbstbetrachtung als Element in einem System. Ob diese Selbstbetrachtung nun ihrerseits noch einmal wahrgenommen und dann ggf. artikuliert wird, ist eine andere Frage! Dieser Kommunikationsbegriff ist sinnvoll, weil er den
sozialen Individuen die Freiheit lässt, die sie im Alltag auch haben:
sie entscheiden selbst, ob sie kommunizieren oder nicht. Eine solche selbstreferentielle
Definition von Kommunikation hat für Wissenschaft und Forschung weitreichende
Konsequenzen: Kommunikation lässt sich nicht vom Betrachterstandpunkt
aus erforschen. Der Betrachter kann nicht einmal entscheiden, ob Kommunikation
vorliegt. Dies müssen die Betreffenden selbst tun - und nur wenn sie dies
artikulieren oder sonst in irgendeiner Form deutlich machen, kann der
Betrachter auf Kommunikation schließen. Dabei sei angemerkt, dass die interpersonelle Kommunikation
vermutlich der komplizierteste Fall von Kommunikation ist. Hier werden
an Theorie und deren Anwendung die größten Anforderungen gestellt. Während
wir wenig Schwierigkeiten haben, wenn von der Parallelverarbeitung von
Informationen bei Computern die Rede ist, bereitet uns die Übertragung
dieses Vorgangs auf die zwischenmenschliche Kommunikation Schwierigkeiten.
Es ist aber hilfreich, bei 'Sendern' und 'Empfängern' nicht sogleich an
Menschen aus Fleisch und Blut zu denken. Die Kommunikationslehre modelliert
die alltäglichen Phänomene genauso, wie das jede andere Wissenschaft auch
tut, und dies heißt eben auch, dass sie abstrahiert. |
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