Mehr als drei oder höchstenfalls vier Parameter scheinen für konsensfähige
Modelle in unserer Kultur in den letzten Jahrhunderten nicht möglich gewesen
zu sein. Danach beginnt, was man nunmehr so schön 'Unübersichtlichkeit'
nennt. Die europäische Neuzeit braucht übersichtliche Modelle. Und das
ist durchaus nicht bloß metaphorisch gemeint. Die Grenzen des visuell
Darstellbaren sind in ganz elementarem Sinn auch die Grenzen wissenschaftlicher
Modellbildung. Wirklich durchschlagend sind bislang nur Denkmodelle, die
sich als Körper nachbauen und in einfachen Figuren durch den euklidischen
Raum bewegen lassen.
Das Planetenmodell, (dreidimensionale) Körper in Bewegung, ist seit den
Tagen von Kopernikus und Galilei das Maximum an Komplexität, was unsere
Kultur (massenhaft) akzeptiert. Es mag in Gestalt des Atommodells, der
chemischen Moleküle oder der Doppelhelix der DNS auftauchen, im Prinzip
variieren nur die Benennungen der Parameter. Und die Möglichkeiten der
Darstellung der Modelle haben sich verändert. Von den Sphärenmodellen
aus Kupfer über die praktischen Plastikkugeln der Chemie ging die Entwicklung
hin zu den 3D-Animationen auf den Bildschirmen der Wissenschaftler im
'human genome project'.
Solche Modelle - und nicht die überkomplexen empirischen Individuen -
ließen sich auch in Zeichnungen in Büchern darstellen und sprachlich und
mathematisch beschreiben. Die zweidimensionale Darstellung von dreidimensionalen
Modellen gehört zur großen Leistung - und Leistungsgrenze - der Buchkultur.
Die elektronischen Medien erweitern gegenwärtig die Möglichkeiten der
Modellierung. Wahrscheinlich werden Standardformen höherdimensionaler
Repräsentationen entstehen, z. B. und vor allem durch eine Dynamisierung
und die Ersetzung von sprachlichen Zeichen durch andere Abbildungsformen.
Diese Modelle werden über kurz oder lang auch die Wahrnehmung und das
Denken des Menschen umstrukturieren, neue Selbstverständlichkeiten und
Wahrheitskriterien schaffen.
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