Theoriediskussion Der zirkuläre Zusammenhang der 3 Parameter der kommunikativen Welt
   
Ich habe bei der Schilderung der drei Modelle schon an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass sie letztlich voneinander abhängig sind: Das ontologische Konzept braucht zur Entscheidung der Vergleichsperspektive einen Beobachter oder Katalysator. Sobald wir jedoch in diesem Sinne das Schema:
 
Medium1 wirkt auf Medium2.
 
in das Schema: Medium1 , Prozessor, Medium2
 

 
umwandeln, befinden wir uns im epistemologischen Paradigma mit seiner konstitutiven Unterscheidung zwischen Prozessor/Subjekt und Medium/Objekt. In diesem Paradigma lässt sich andererseits die Existenz von Merkmalen der Medien vor und unabhängig von jeder Wahrnehmung nicht begründen.
Sowohl die Spiegelung als auch die Informationsverarbeitung (im epistemologischen Paradigma) lassen sich als Relationierung und damit in den Kategorien des topologischen Modells beschreiben. Tun wir dies beispielsweise im Falle der Wahrnehmung, dann erscheint deren Ergebnis als Relationierungsprodukt zwischen dem Objekt und dem Subjekt. Es ist klar, dass dieses Ergebnis nicht nur von dem einen Pol der Relation, dem Beobachter/Subjekt abhängen kann. Die unterschiedlichen Medien haben unterschiedliche Reizwirkungen für unsere Sensoren. Die Klärung der Strukturen des Mediums gehört aber vorrangig in den Bereich des ontologischen Modells.
Ohne den Rückgriff auf das Konzept der kreisförmigen Relationierung, d.h. der Systembildung, lässt sich weder das Widerspiegelungskonzept noch die Parallelverarbeitung von Informationen behandeln. Beide setzen das Vernetzungskonzept voraus.
Andererseits kommt die Systemtheorie ohne eine ontologische und eine erkenntnistheoretische Komponente nicht aus. Schon die Rede davon, dass die Elemente auf einer anderen Ebene als das System selbst emergieren, nötigt zur Annahme von verschiedenen Seinsstufen - oder anderen emergenztheoretischen Stufenkonzepten, die jedenfalls über strukturalistische Modelle hinausweisen. Und natürlich können Systeme beobachtet werden - und können sich selbst beobachten. Die Theorie selbstreferentieller Systeme trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie System- und Erkenntnistheorie miteinander verknüpft. Dabei sollte aber eine Hierarchisierung vermieden werden: weder Systemtheorie als Dach für die Erkenntnistheorie - noch umgekehrt. Im ersteren Fall bleiben am Ende nur ,geschlossene Systeme', im zweiten wird die Systemtheorie zur bloßen Kategorisierungsintanz im Rahmen der Erkenntnistheorie. Systeme können nur als Modelle des Beobachters gedacht werden. In der praktischen empirischen Arbeit kommen wir andererseits nicht umhin, zunächst die eine und erst danach die andere Perspektiven zu nutzen. Auf Dauer ergibt aber erst die Beschreibung unter allen drei Gesichtspunkten ein befriedigendes Bild.
 
Natürlich stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet diese 3 Parameter und nicht andere oder mehr ausgewählt wurden.
 
Das stärkere Argument für die Auswahl dürfte die zirkuläre, paradoxe Verknüpfung der 3 Modelle sein. Keines lässt sich ohne die Zuhilfenahme der anderen beiden formulieren.

Beispiel

Für die Verwendung von mehr als einem, je selbst noch von mehr als 2 Modellen gibt es noch einen dritten weiteren triftigen Grund. Wenn die Kommunikations- und Medienwissenschaft ihre Annahmen über Information, Informationsverarbeitung und Kommunikation auch auf ihre eigene Arbeit anwenden will, dann wird sie sich auch als Kommunikationssystem betrachten müssen, in dem es unterschiedliche und voneinander unabhängige Kommunikatoren mit verschiedenen Programmen gibt, die die Informationsverarbeitung regeln.
Wenn es Kommunikation immer mit mehr als einem Kommunikator - und damit auch mit mehr als einer Wahrnehmungsweise - zu tun hat, dann verlangt ein selbstreferentielles Modell von 'Kommunikation' auch mehr als eine Perspektive. Das Modell muss schon in sich auf Dialog angelegt sein.
Wie in Gruppengesprächen sollte auch die Möglichkeit vorgesehen werden, dass mehr als zwei unterschiedliche Perspektiven erforderlich sind, um Themen erfolgreich abzuarbeiten. Die Komplexität des triadischen Ansatzes widerspiegelt jedenfalls die Komplexität von vielen alltäglichen und institutionellen Mehrpersonengesprächen. Er geht über das dialektische Prinzip des Zweiergesprächs hinaus. Andererseits bleibt berücksichtigt, dass geordneter Programmwechsel auch im Alltag nicht bei beliebig vielen Programmen möglich ist. Die Respektierung von drei Programmen verlangt schon Anstrengungen, die im Alltag m.E. nicht die Regel sind. Ambi- oder besser Trivalenzen, Widersprüche, unklare Interpunktionen gilt es auszuhalten. Ein einziges Richtig oder Falsch gibt es nicht mehr.
 
Vorsichtshalber sei am Ende noch einem Vorschlag entgegnet, der aus der geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Tradition mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist. Wenn schon mehrere Ansätze erforderlich sind, dann solle man doch nach einem Metakonzept suchen, welches die vorgeschlagenen Modelle als notwendige Elemente ausweist! Dass es innerhalb komplexer Theoriegebäude solche Formen der Differenzierung geben muss und dass sie auch für die Kommunikation und Medienwissenschaften an vielen Stellen notwendig sind, steht außer Zweifel. Aber wenn das Gebäude selbst kommunikativ sein will, dann darf Hierarchie bloß eine Vernetzungsoption unter anderen sein. Es muss mehrere Spitzen haben, oder besser: Es ist als Netzwerk und mit wechselnden Zentren und nicht als Pyramide zu gestalten. Sobald wir ein 'Oberkonzept' ausweisen, werden wir wieder linear, vertreiben die Multivalenzen und ermöglichen binäre Entscheidungen. Dann ist Kommunikation nur noch zur Bestätigung oder Herstellung präfigurierter Wahrheiten erforderlich.