![]() |
Kommunikationstheorie N. Luhmanns |
|
Am Ende des Milleniums faßte Niklas Luhmann die Glaubenssätze
der europäischen Buchkultur über 'Kommunikation' noch einmal zusammen.
Ohne jede kritische Distanzierung stellt er fest: |
1. |
"Kommunikation ist eine
exklusiv gesellschaftliche Operation" 1990:63 Kommunikation wird also an menschliche Sozialgemeinschaften gebunden. |
2. | Kommunikation ist 'innenhaftes'
Reden und Schreiben über die Umwelt und/der des Bezugssystems. Kommunikation
wird an sozial ausgearbeiteten, und in Sprache sedimentierten Sinn gebunden.
("Gesellschaft als operativ geschlossenes System sinnhafter Kommunikation"
1990:62) Sinn wiederum ist letztlich an Bewußtsein gebunden. |
3. | Es gibt keine Kommunikation zwischen den Menschen (der Gesellschaft) einerseits und der Natur, Technik andererseits sondern nur soziale Kommunikation über diese anderen Arten der Umwelt. |
4. | Resonanz, Wechselwirkung findet nur zwischen dem System und seiner Umwelt statt. Sie ist keine systembildende Kraft und kein kommunikativer Prozess. Eben deshalb kann weder die Gesellschaft mit ihrer Umwelt noch das Psychische mit dem Körperlichen (Physischen) kommunizieren. |
5. | Kommunikation ist eine aktive, zielgerichtete menschliche Handlung deren Erfolgskriterium letztlich die Zielerreichung ist. |
Damit kann umstandslos an soziologische Handlungstheorien und die perspektivische Wahrnehmungstheorie des Spätmittelalters angeschlossen werden. Dieser Begriff von 'Kommunikation' ist an der Jahrtausendwende anachronistisch dysfunktional und sektiererisch. Er ist anachronistisch, weil er eine Antwort auf die Probleme der Vergesellschaftung im Industriezeitalter unter den Bedingungen typographischen Massenmedien liefert aber nicht auf die rückkopplungsintensiven neuen technischen und sozialen Kommunikationsformen eingeht. Er ist dysfunktional weil er die drängenden ökologischen und interkulturellen, Probleme unserer Gegenwart die alle eine Kommunikation zwischen artverschiedenen Kommunikatoren erfordern, nicht behandeln kann. Er ist sektiererisch, weil in den vielen, vermutlich den meisten Bereichen der Gesellschaft der Begriff schon in anderem zeitgemäßem Sinn verwendet wird. Er dient letztlich der Mystifizierung, der ideologischen Rechtfertigung der Buchkultur. Ökologische Kommunikation im Sinne artenübergreifender Kommunikation schließt Luhmann explizit aus. Der homo soziologicus bzw. der Bürger der Buchkultur kommuniziert nicht mit sondern ausschließlich über die Umwelt (mit anderen Bürgern). "Der Begriff der ökologischen Gefährdung sei vorsorglich (solange wir nicht genau wissen, worum es sich handelt) sehr weit gefaßt. Er soll jede Kommunikation über Umwelt bezeichnen, die eine Änderung von Strukturen des Kommunikationssystems Gesellschaft zu veranlassen sucht. Wohlgemerkt: es handelt sich um ein ausschließlich gesellschaftsinternes Phänomen. Es geht nicht um die vermeintlich objektiven Tatsachen: daß die Ölvorräte abnehmen, die Flüsse zu warm werden, die Wälder absterben, der Himmel sich verdunkelt und die Meere verschmutzen. Das alles mag der Fall sein oder nicht der Fall sein, erzeugt als nur physikalischer, chemischer oder biologischer Tatbestand jedoch keine gesellschaftliche Resonanz, solange nicht darüber kommuniziert wird. Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen. Die Gesellschaft ist ein zwar umweltempfindliches, aber operativ geschlossenes System. Um diesen wichtigen Ausgangspunkt noch einmal in anderer Formulierung festzuhalten, kann man auch sagen, daß die Umwelt des Gesellschaftssystems keine Möglichkeit hat, mit der Gesellschaft zu kommunizieren. Kommunikation ist eine exklusiv gesellschaftliche Operation. Es gibt auf der Ebene dieser spezifisch gesellschaftlichen Operationsweise weder Input noch Output." [1] Die Welt des Niklas Luhmann war keine ökologische Welt sondern ein soziales Supersystem, eben 'die Gesellschaft'. Wenn er davon spricht, daß irgendetwas 'kommuniziert' so muß - wie in dem Zitat - diesen Ausdruck mit 'reden', 'schreiben' oder bestenfalls 'drucken' übersetzen. Jedenfalls ist diese Operation Gebrauch von Sprache und jedenfalls auch die Handlung eines Akteurs - nicht etwa eine emergentes Interaktionsprodukt. Luhmann übernimmt mit dieser Theorieanlage die Komplexitätsreduktion der Buch- und Industriekultur. Mit Ökologie hat dies nichts zu tun - nur mit der Rede über das, was ein initiiertes geschlossenes System, an 'Belastungsgefühlen' hervorbringt, wenn sich fremde Arten in der Umwelt laut machen. |
|
[1] Luhmann, Niklas. Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? Opladen 3, 1990, S. 62/63 |