Fliesstext Selbstreflexion als Bedingung sozialer Kommunikation?

 

 

Geht man davon aus, dass soziale Systeme selbst bestimmen, ob sie kommunizieren oder nicht, dann müssen in einfachen Interaktionssystemen beide beteiligten Personen ihr Erleben und Handeln als Kommunikation definieren und darüber hinaus müssen die Beteiligten auch wechselseitig annehmen, dass sie dies tun. D.h., wenn eine Person in einem Zweiergespräch nicht kommunizieren will oder wenn sie davon ausgeht, daß der andere nicht kommunizieren will, dann findet keine Kommunikation statt.
 
Diese Voraussetzung führt zu einer auf den ersten Blick verwirrenden Reflexionspyramide: Die Beteiligten nehmen einander nicht mehr nur wahr, sondern sie nehmen auch wahr, daß sie selbst wahrgenommen werden und darüber hinaus, daß dieser Prozess auch noch einmal wahrgenommen wird. Wahrnehmung der Wahrnehmung der Wahrnehmung. Unter diesem Reflexionsniveau gibt es keine soziale Kommunikation. Und diese Verkettung der Wahrnehmungen führt immer zur Systembildung und zur Wahrnehmung der Systembildung - und das heißt zur Selbstbetrachtung als Element in einem System. Ob diese Selbstbetrachtung nun ihrerseits noch einmal wahrgenommen und dann ggf. artikuliert wird, ist eine weitere Frage!
Dieser Kommunikationsbegriff ist sinnvoll, weil er den sozialen Individuen die Freiheit läßt, die sie im Alltag auch haben: sie entscheiden selbst, ob sie kommunizieren oder nicht. Eine solche selbstreferentielle Definition von Kommunikation hat für Wissenschaft und Forschung weitreichende Konsequenzen: Kommunikation läßt sich nicht vom Betrachterstandpunkt aus erforschen. Der Betrachter kann nicht einmal entscheiden, ob Kommunikation vorliegt. Dies müssen die Betreffenden selbst tun - und nur wenn sie dies artikulieren oder sonst in irgendeiner Form deutlich machen, kann der Betrachter auf Kommunikation schließen.