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Diskussion, Debatte und Dialog (P. Senge) |
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"Bohm führt aus, dass das Wort 'Diskussion' dieselbe
Wurzel hat, wie 'percussion' und 'concussion' (Erschütterung). Es suggeriert
'eine Art Pingpong-Spiel, bei dem wir den Ball zwischen uns hin- und herschlagen'.
Bei diesem Spiel kann der Gegenstand des allgemeinen Interesses aus vielen
unterschiedlichen Perspektiven, die die einzelnen Teilnehmer einnehmen,
analysiert und auseinandergepflückt werden. Das kann zweifellos nützlich
sein. Aber bei einem Spiel will man normalerweise 'gewinnen', und in diesem
Fall bedeutet Gewinnen, dass die eigenen Ansichten von der Gruppe akzeptiert
werden. Man übernimmt vielleicht gelegentlich ein einzelnes Argument
von einer anderen Person, das die eigenen Meinung stärkt, aber letzten
Endes will man die eigene Ansicht durchsetzen. Eine fortgesetzte Priorität
des Gewinnens ist jedoch mit der obersten Priorität von Kohärenz
und Wahrheit nicht vereinbar. Um einen Prioritätenwandel zu bewirken,
so Bohm, brauchen wie den 'Dialog', der einen andere Kommunikationsweise
darstellt. Der Begriff Dialog geht auf das griechische dialogos zurück. Dia bedeutet 'durch'. Logos bedeutet 'das Wort' oder allgemeiner 'der Sinn'. Bohm zufolge bedeutete Dialog ursprünglich 'sich bewegender oder durchlaufender Sinn... ein freies Fließen von Sinnen zwischen Menschen, wie bei einem Strom, der zwischen zwei Ufern fließt'. Beim Dialog, so Bohms These, erhält die Gruppe Zugang zu einem größeren 'Reservoir an gemeinsamem Sinn', der dem einzelnen nicht zugänglich ist. Man versucht nicht, die Einzelteile zu einem Ganzen zusammenzuziehen, sondern 'das Ganze ordnet die Teile'. Der Zweck des Dialogs besteht darin, über die Grenzen des individuellen Verstehens hinauszukommen. 'Bei einem Dialog versucht man nicht zu gewinnen. Alle gewinnen, wenn sie es richtig machen.' Bei einem Dialog gelangt der einzelne zu Einsichten, die er allein einfach nicht erreichen könnte. 'Es entsteht eine neue Form des Denkens, die auf der Entwicklung eines gemeinsamen Sinns beruht... Die Menschen befinden sich nicht länger in Opposition zueinander, auch kann man nicht sagen, dass sie interagieren. Sie beteiligen sich vielmehr an diesem Reservoir gemeinsamen Sinns, der sich beständig weiterentwickeln und verändern kann.' Beim Dialog erforscht eine Gruppe schwierige, komplexe Fragen unter vielen verschiedenen Blickwinkeln. Der einzelne legt sich nicht auf seine Meinung fest, aber er teilt seine Annahmen offen mit. Das führt dazu, dass die Beteiligten die ganze Fülle der Erfahrungen und des Denkens ungehindert erforschen und an die Oberfläche bringen können, aber weit über individuelle Meinungen hinausgelangen." |
Peter Senge: Die fünfte Disziplin. Klett-Cotta 1996, engl. 1990, S. 293 |