Nutzen Hochschulpolitische Konsequenzen der dialogue vision

 

 
Anstatt weitere Universitätsinstitute aus dem Boden zu stampfen, die sich mit den technischen Kommunikationsmedien und ausschließlich technisierter Informationsverarbeitung beschäftigen, wäre es an der Zeit, sich endlich mit dem gleichen Engagement auch dem Dialog und den leiblichen Kommunikationsmedien zuzuwenden. Unser wichtigstes Informationsmedium bleibt das leibliche Verhalten, die Basis unserer Informationsverarbeitung das Gespräch zu zweit und in Gruppen. Warum beschäftigt sich kein medienwissenschaftlicher Lehrstuhl, keine ‚Informatik' mit den hier interaktionsleitenden und orientierungsrelevanten Programmen? Warum lehrt kein kommunikationswissenschaftliches Institut Selbst- und Fremdwahrnehmung, Gruppendynamik, zuträgliche Formen der Informationsverarbeitung in Teams usf.? Während die freie Wirtschaft für die Qualifikation ihrer Führungskräfte in diesen Bereichen mehr Zeit und Geld investiert als für deren Weiterbildung an den elektronischen Medien, stellt die staatliche Forschungsförderung für diesen Bereich keine Mittel zur Verfügung. Wenigstens ein Wissenschaftskolleg könnte sich doch mit den kommunikativen Schlüsselqualifikationen befassen, von denen allenthalben geredet und über die so wenig gewusst wird. Und wenn es schon Legitimationsprobleme für Max-Planck-Institute gibt, wieso schafft man dann nicht den Rahmen für eine solche Beschäftigung mit der Geschichte kultureller, d. h. transmedialer Kommunikation, die Prognosen für die Zukunft ermöglicht? Die Wissenschaft scheint hier vor einer Komplexität zurückzuschrecken, die wir im Alltag nebenbei bewältigen. Medienökologie, synästhetische Kommunikationsformen wären ein wichtiger Gegenstand vergleichender Medienwissenschaften.

Ein Beispiel blinden Vertrauens in Kommunikationsformen, die sich in vergangener Zeit unter ganz anderen medialen Bedingungen herausgebildet haben, bietet die Lehre an unseren Hochschulen. Sie entspricht noch immer dem Kommunikationsverständnis des Buchdruckzeitalters: Wissen wird von Experten/Autoren in 45 oder 1 1/2stündigen Paketen, eben wie ausgedruckte Bücher (solange keine Veränderung der Programme möglich ist, eignet es sich gut), an die Laien/Studierenden interaktionsfrei weitergegeben. Gute Dozenten zeichnen sich dadurch aus, dass Rückfragen (Rückkopplungen) nicht nötig sind und dass ihr Wissen in den Prüfungen von den Studierenden identisch reproduziert werden kann. Diese Form intellektueller Klonung gefährdet den Standort Deutschland, weil sie reproduktiv und so gar nicht interaktiv ist. Wieso sollte man aber bei der Lehre auf etwas verzichten, was man von allen modernen technischen Medien fordert? Angst vor unmittelbarer Interaktion mag übrigens auch ein Motiv für die Begeisterung für teleteaching sein. Solange keine Veränderung der Programme möglich ist, eignet es sich bestens als Vehikel, um das Lernmodell der Buchkultur unter den Bedingungen der neuen Medien aufrechtzuerhalten.

Es ist klar, dass eine dialogische Wissensschöpfung nur dort akzeptiert wird, wo der Glaubenssatz der Buchkultur, dass es für alle wichtigen Fragen eine und nur eine zu jeder Zeit an allen Orten für alle Personen gültige Antwort gibt, suspendiert wird. Wo es diese Wahrheiten gibt, bleibt das typographische Erkenntnis- und Kommunikationsmodell gültig und sinnvoll.