Excerpt Telekommunikationsparadoxon

 

 
"Neuere empirische Untersuchungen belegen, daß die Telemedien zu einem erhöhten Aktivitätsniveau, einer stärkeren Fragmentierung des Arbeitstages und zu einem Anstieg der Reiseaktivitäten bei den Vielnutzern von Telemedien im Management führen. Letzteres Phänomen wird als Telekommunikationsparadoxon bezeichnet. Eine Erklärung für diesen vermeintlichen Widerspruch zwischen Substitution und Ausdehnung von Face-to-face-Kontakten bildet eine Untersuchung von Grote.
Auf der einen Seite bieten die Medien die Möglichkeit, im Innenverhältnis mit den vielfältigen Kooperationsbeziehungen besser zurecht zu kommen, jederzeit und standortunabhängig erreichbar zu sein, sich jederzeit Zugang zu Informationsressourcen zu verschaffen und Beziehungen auch zu den entferntesten Partnern aufzunehmen. Damit wird die Lokomotionsfunktion der Führungskräfte erheblich entlastet. Es kommt auch zu Substitutionen von Face-to-face-Kontakten durch Telemedien, vor allem mit internen und externen Kommunikationspartnern, zu denen 'intakte Kooperationsbeziehungen' bestehen.
Auf der anderen Seite nimmt der Bedarf nach Face-to-face-Kommunikation im Hinblick auf die Kohäsionsfunktion zu, besonders durch die Modularisierung und Globalisierung der Unternehmen. Im Ergebnis wird der Effizienzgewinn, der aus dem problem- und situationsgerechten Einsatz der Kommunikationsmedien resultiert, dazu genutzt, mehr Face-to-face-Kontakte wahrzunehmen (Erhöhung der Reiseaktivitäten)."

Aus: A. Picot/R. Reichwald/R. T. Wigand: Die grenzenlose Unternehmung. Wiesbaden 1996
F.A.Q.: Wie lässt sich erklären, dass der Technisierungsschub in den Kommunikationsmedien in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung des dialogischen Gesprächs von Angesicht zu Angesicht eher vergrößert als verkleinert?