Theoriefaden Die Informationsgesellschaft als globales Netzwerk

 

 

Die globale Weltgesellschaft unserer Epoche lässt sich sowohl als ein mehrdimensionales Netzwerk als auch als - informationsverarbeitendes - Supersystem verstehen.

Die systemtheoretische Modellierung entspricht dem Ordnungsdenken der Buch- und Industriekultur (Systematisieren). Als Vision informationsverarbeitender Systeme liegt sie auch dem Konzept der 'Information Society' zugrunde.

Mit dem Network-Konzept betreten wir Neuland. In vieler Hinsicht widerspricht es den Grundannahmen des systemischen Paradigmas. Wer von Systematisierung spricht, denkt an eine Zunahme von Ordnung, an die Schließung von Strukturen, an die Sicherung von Ablaufmustern. Das Netzmodell geht davon aus, dass die Schließung von Strukturen immer mit der Auflösung von anderen einhergeht. Ordnung an der einen Stelle des mehrdimensionalen Netzwerks zieht Chaos an anderen nach sich. Es zwingt dazu, in Möglichkeiten zu denken und sich virtuelle Strukturen, eben mögliche Vernetzungen, vorzustellen. Netzwerke stellen die Möglichkeit zu vielfältigen Rückkopplungskreisen bereit.

In kommunikationstheoretischer Sicht macht die 'Network Vision' deutlich, dass längst nicht alle Informationssysteme und potentiellen Kommunikatoren mit allen anderen verschaltet sind. Das Netzmodell lässt flexible Verknüpfungen, latente Vernetzungskanäle, wechselnde Medien und Knoten zu. Kommunikationssysteme entstehen, indem einzelne Relais und Kanäle immer wieder in ähnlicher Weise ausgewählt und verschaltet werden.
So gesehen, beschreibt die Systemtheorie nur einen Prozesstyp, der in den Netzwerken abläuft. Die Öffnung von Strukturen, die Auflösung von Systemen sowie die Ambivalenzen in den einzelnen Prozessen: sowohl Ordnung (Schließung) als auch Chaos (Öffnung) können durch die systemtheoretische Vision nicht gut erfasst werden.

Da das systemische Denken weitaus besser eingeführt ist als das Denken in Netzwerken, bedarf es keiner politischen Protektion. Unterstützt und propagiert werden sollte mittelfristig eher die 'Network Vision'.
Dies hat unmittelbare Konsequenzen für unser Verständnis von Globalisierung. Sie kann entweder als Systemisierungsprozess oder als Moderation von wechselnden Vernetzungsprozessen aufgefasst werden. Nur, wenn die Globalisierung der Informationsflüsse nicht als Neuauflage der zentralen Steuerung abläuft, wird sie zu alternativen kulturellen Beziehungen führen. Die ökologische Informationsgesellschaft sollte viele Zentren mit unterschiedlichen Leistungsprofilen akzeptieren und miteinander in den Dialog bringen.

Wer die Weltgesellschaft demgegenüber als System behandelt, wird auf Gleichschaltung der Prozesse achten und beständig Differenzen zwischen den Systemen und ihrer Umwelt aufbauen müssen. Das Netzwerk-Denken erfasst das ganze Bild ('Whole Picture'); das System-Denken fokussiert und verdrängt Teile des Bildes, macht die Prozesse zur Umwelt.

Theoriefaden: Medienpolitik und Kommunikationsmanagement im Zeichen der Dialogkultur (2)