Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft

 

 

Die Durchsetzung alternativer Formen kultureller Informationsverarbeitung und Vernetzung wird gegenwärtig dadurch erschwert, dass wir uns noch immer an den Idealen und Konzepten orientieren, die für die Beschreibung und Propagierung der Buch- und Industriekultur entwickelt wurden. Gerade die Erfolge dieser Epoche haben zu Mystifizierungen geführt. Die Klärung solcher Mythen ist ein Schwerpunkt mediengeschichtlicher Trendforschung.

Allerdings dürfte eine Abkehr von den Glaubensgrundsätzen der Buchkultur nur gelingen, wenn andere Gewissheiten am Horizont aufscheinen. Neue Wunschmaschinen sind zum einen die elektronischen Medien. Sie wurden zur Überwindung der Grenzen der traditionellen interaktionsfreien Massenkommunikation und der sprachgebundenen Wahrnehmungs- und Denkleistungen entwickelt. Weniger beachtet, aber kaum minder revolutionär, haben sich aus therapeutischen Kontexten in den letzten 100 Jahren auch neue Formen von selbstreflexiven Zweier- und Gruppengesprächen entwickelt, die den Körper und assoziative Intelligenz als Ausdrucks- und Erkenntnismedium nutzen.

Keines dieser Medien eignet sich jedoch allein als Paradigma für Visionen in einer postindustriellen Kultur. Vielmehr wird es darum gehen, das ökologische Zusammenwirken von Sprache, digitalen Bildern und leiblichem Verhalten sowie der zugehörigen Erkenntnis- und Kommunikationsformen zu gestalten: cultural vision, Ökuloge. Zu dieser Aufgabe war die Buch- und Industriekultur nicht in der Lage, weil sie auf Hierarchisierung der Medien und Erkenntnisformen statt auf Balance setzte (und noch immer setzt).

Da jede Kultur andererseits multimedial, synästhetisch und massiv parallelverarbeitend aufgebaut ist, gibt es für dieses Vorhaben (subversive) historische Vorbilder und Trends. Ein zeitgemäßes Alternativkonzept gegen die interaktionsarme technisierte Massenkommunikation ist das dialogische Gruppengespräch.

Fliesstext: Von den Mythen und ambivalenten Leistungen der Buchkultur über die Versprechungen der neuen Medien zu den ökulogischen Visionen der Informationsgesellschaft [Leittext]