Fliesstext Methodologie mediengeschichtlicher Forschung
   
Kommunikative Systeme - und damit auch alle Kulturen, die sich als Kommunikationssysteme betrachten oder als solche beschrieben werden sollen - sind nicht nur Systeme, die Informationen über die Umwelt verarbeiten, sie sind zugleich auch selbstbeschreibende Systeme. Erst die Oszillation zwischen beiden Aktivitäten macht ihre Spezifik aus.
Für die Kommunikationswissenschaft müssten diese Überlegungen zur Folge haben, dass neben den traditionellen Verfahren der Beobachtung auch solche der Selbstbeobachtung entwickelt werden. Weiterhin gehören auch selbstreferentielle Komponenten zum Theorieaufbau. Um den Vergleich zur Entwicklungsgeschichte der Naturwissenschaften zu ziehen: Es geht darum, die Relativitätstheorie nachzuvollziehen, Konsequenzen aus der Heisenbergschen 'Unschärferelation' zu ziehen. Der kommunikationswissenschaftliche Beobachter muss es lernen, sich auch als Element des von ihm beobachteten Systems zu begreifen - und zu verhalten. Und er muss es, zumal bei historischen Analysen, lernen, die untersuchten Phänomene als selbstbeschreibende Systeme zu modellieren.
Eine Aufgabe der Kommunikationsgeschichtsschreibung besteht vor diesem Hintergrund darin, durch die Zeiten zu verfolgen, was die einzelnen sozialen Gemeinschaften jeweils als Kommunikation, als Kommunikator und als Medium kultureller Verständigung anerkannt haben und welche Kriterien sie für den Erfolg dieser Verständigung entwickelt haben.
Dabei werden nicht nur artfremde Phänomene, sondern auch andere Menschen aus- bzw. eingegrenzt. Die Person, die von der Kirche exkommuniziert wurde, gehörte nicht mehr zur Christengemeinschaft.
Weiterhin unterscheiden sich die Kulturen in der Geschichte danach, ob und in welchem Maß sie verstorbene und ungeborene Menschen als Teil ihrer Kommunikationsgemeinschaft behandeln. Hier stehen wir gegenwärtig offenbar in einer Umbruchsituation. Die Diskussion um die 'Nachhaltigkeit' unseres wirtschaftlichen Handelns zeigt, dass sich die Tendenz verstärkt, die Zeitdimension unserer Kommunikationsgemeinschaft in die Zukunft auszudehnen.
 

 
Fliesstext: Die Veränderung der Selbstbeschreibung von Kulturen in der Geschichte

www.kommunikative-welt.de Geschichte ©Michael Giesecke