Der Film als Umkehrung der fotographischen Erfassung von Bewegungen
   

Nachdem diese Bildserien nun vorlagen, brauchte man eigentlich nur auf den Gedanken kommen, ihre Produktion reversibel zu machen, um die Idee der Filmvorführung zu entwickeln. Wenn man beispielsweise die Momentaufnahmen des galoppierenden Pferdes ähnlich schnell vor die Augen der Zuschauer projizieren konnte, wie man sie aufgenommen hatte, so müßte bei ihnen eigentlich der Eindruck eines galoppierenden Pferdes entstehen. (Muybridge hatte solche Ideen vermutlich weniger, ihm kam es eher auf quasi wissenschaftliche Bewegungsstudien an.)

Versuche zeigten, dass für das menschliche Auge eine lebensechte Bewegung erst dann beginnt, wenn ihm mindestens 16 Bewegungsphasen pro Sekunde sukzessive vorgezeigt werden. Das Ziel der Techniker war es fortan, eine solche gleichbleibende Projektionsgeschwindigkeit zu erreichen. Mit den bis dahin benutzten Glasplatten ließ sich das filmische Interesse allerdings nicht befriedigen. Erst die Erfindung des Zelluloidfilms 1887 und dann von Apparaten, die dieses Material auch schnell belichten konnten, schuf hier günstige Ausgangsbedingungen.

Eine Vielzahl von Tüftlern bemühten sich in den folgenden Jahrzehnten um die Lösung der technischen Umsetzung dieser Idee. Th. A. Edison (1847-1931) und sein Mitarbeiter W. K. L. Dickson (1860-1935) kamen mit ihren ,Kinetoskopen' , einem ruckfreien Filmtransport schon sehr nahe, indem sie die Filmstreifen (1892) perforierten. Die Gebr. Lumière lassen sich 1895 den Greifermechanismus mit Exzenterschreibe patentieren, der sowohl in den Aufnahme- wie auch in den Projektionsgeräten den gleichmäßigen Filmtransport garantierte. Die Schonung der Perforation und eine flimmerfreie Projektion ermöglichte das ,Malteserkreuz-System', das den Film in einem optimalen Zeitverhältnis abwechselnd bewegt und festhält und die sogenannte Dreiflügelblende. (Oscar Messter/Pätzold).

Abb: Filmprojektion durch bewegte Bilder (Lumière)
 
Mov: 'Einfahrt des Zuges' von 1895 wie aufgenommen und projiziert von den Brüdern Lumiere (Quicktime-Movie Datei; 1,2 Mb)
Schrittweise lösten sich ‚Filmemacher' von den Themen der Jahrmarktsvorführungen. Nach 1900 entstanden Tatsachenberichte, Wochenschauen, z. B. 1902 die Krönung Edward VII., Sportberichte, etwa vom Derby 1896 tauchen auf, um 1900 unter der Regie von James Williamson auch ein erster Kriegsfilm. George Mellies entwickelte den Trickfilm und schließlich entstand in den 20-er Jahren die Filmstadt Hollywood. Zu dieser Zeit war der Film schon ein riesiges Geschäft: "Allein 1908 besuchten fast 30 Mill. Zuschauer jede Woche die amerikanischen Lichtspieltheater" (Hadorn/Cortesi Bd. 1, S. 205). Das Medium wurde sowohl als amüsant wie auch als interessant, als belustigend und als Wissen vermittelnd begriffen.
 

 

www.kommunikative-welt.de Geschichte ©Michael Giesecke