Der Reisepass als Spiegel des Reisens im 19.Jh.
   

Abb: Eine Seite des Reisepassesvon Baron Camill von Lotzbeck
aus: W.Grieb/ S.Luber (Hg.): Vom Reisen in der Kutschenzeit. Heide/ Holstein 1990 (Veröffentlichung der Eutiner Landesbibliothek, Bd.1, Kat.-Nr.32)


Die Passgesetze im europäischen Raum des 19. Jahrhunderts - besonders noch im damaligen deutschen Kleinstaatengebiet - trugen zu einer Vergrößerung der 'scheinbaren' Entfernung, also im psychologischen Sinne bei. Das Reisen wie auch teilweise die damals noch damit eng verbundene Nachrichtenbeforderung wurden durch die politischen Verhältnisse stark beeinflusst. Im Bereich der individuellen Grenzübergangsgenehmigungen und des Visierens gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Österreich (wie auch im übrigen deutschsprachigen Raum) streng reglementierende Migrationsgesetze. Die Aus- und Einreisemöglichkeiten wurden durch Ausstellung von Reisepässen und Visen nach Alters- und Standeskriterien zentral kontrolliert und folgten oft den sich damals schnell ändernden politischen Richtlinien des jeweiligen Gebiets. Nicht jeder Bürger und nicht jedes - im weitesten Sinne - Geschlecht durfte die Grenze überqueren.
 
Genaueres ist der Beschreibung des Reisepasses im Ausstellungskatalog zu entnehmen:

 

Österreichischer Reisepaß von 1836
 

Der Reisepaß im Format 22 x 33 cm enthält 15 Blätter und ist in Leder gebunden. Der Name des Besitzers, Baron Camill von Lotzbeck, ist auf dem Vorderdeckel aufgeprägt. Das erste Blatt trägt die Personalien und die Eintragungen der ausstellenden Behörde, Blatt 2-15 sind mit Sichtvermerken der deutschen Staaten, sowie von Böhmen, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, England, Spanien, Italien und Sizilien aus den Jahren 1836 bis 1844 versehen. Der Reisepaß wurde 1836 durch den österreichischen Gesandten Karl Friedrich Freiherr von Tettenborn ausgestellt:
 
»Reisepass No. 5. Gültig auf ... [nicht lesbar]. Friedrich Carl Freyherr von Tettenborn Sr. Königliche Hoheit des Grossherzogs von Baden General-Lieutenant und Generaladjutant, Commandeur des Grossherzoglichen Militär-Ordens... Ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister bey Seiner Kaiserl. Königl. Apostolischen Majestät Ersuche hierdurch alle Militär- und Civil-Behörden dem Vorzeiger dieses, Baron Camill von Lotzbeck, Großherzoglichen Kammerjunker, welcher durch die teutschen Bundesstaaten nach Paris reiset, frey und ungehindert reisen und zurückreisen, ihm auch nöthigenfalls allen Schutz und Beystand angedeihen zu lassen. Gegeben Wien den 5 Februar Eintausend Achthundert Dreißig Sechs. [Unterschriften:] Camill Lotzbeck. Tettenborn.«
Die Paßgesetze des 19. Jahrhunderts erschwerten – ebenso wie die deutsche Kleinstaaterei – das Reisen ungemein und machten es in vielen Fällen gar unmöglich. So schreibt die »Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste« von Ersch und Gruber 1840: »Am strengsten sind in allen diesen Beziehungen die österreichischen Vorschriften, ob sie gleich den Satz anerkennen, daß es Jedermann freistehe, seiner Verrichtung wegen nach fremden Landen zu reisen. Es muß nach jenen Vorschriften Jeder mit einem Reisepasse versehen sein und sich damit – bei Handwerksgehilfen reicht dazu eine Kundschaft nicht aus – bei dem Grenzzoll- und Polizeiamte legitimieren. Der Versuch des Austritts ohne diese Legitimation hat Arretierung und Ablieferung and die Behörde zur Folge. Es darf auch der Reisepaß nicht Jedem auf sein bloßes Begehren ertheilt, es muß ein wichtiger Grund dazu angegeben und es dürfen nicht etwa Gesundheit und Vermögensangelegenheiten zum bloßen Vorwande für Luxusreisen gemacht werden.« Auch dem Adel »soll die Reiseerlaubniß nicht vor dem 28. Jahre ertheilt« werden; unter Umständen mußte das Gesuch bis zur höchsten Landes- und Polizeibehörde gehen. Am Aufenthaltsort mußte der Paß dann »visiert«, d.h. mit einem Visum versehen werden. »Der Beamte hat dabei den Paß nach seiner äußeren Form sowol, namentlich in Beziehung auf eine etwaige Verfälschung, als rücksichtlich der Frage, ob er auf den Fremden genau paßt, und sonst rücksichtlich seiner Richtigkeit zu prüfen, die Erlaubniß zur Weiterreise, wenn sich kein Anstand dagegen findet, in der Regel auch die nächste Stadt, wo der Reisende wieder ein Visum beizubringen hat, dabei zu bemerken.« Diese Visierung konnte zur zeitraubenden Erfahrung bürokratischer Sturheit werden, (wenn auch Adelspersonen wie der Baron von Lotzbeck davon wohl weniger betroffen waren): »Übel ist es freilich, daß oft Reisende dadurch ungebührlich aufgehalten werden, daß die Visierung nicht sofort, oft sogar grade erst in der Zeit erfolgt, wenn die Post nach einem bestimmten Orte, z.B. in einen bestimmten Staat, abgegangen ist, in den man ohne Visum der Gesandtschaft, die erst nach Abgang der Post visiert, nicht gelangen kann. Indessen sind diese Übelstände, Gott Lob! in Teutschland nur selten.«

 
(Ersch/Gruber: Encyklpädie, III. Sec. 13. Teil, S.

 


 

 

www.kommunikative-welt.de Geschichte ©Michael Giesecke