Weitere staatliche Postnetze
   

„Der Grundsatz der Beschleunigung der Nachrichtenbeförderung durch zweckmäßige Arbeitsteilung ist deutlich erkennbar zunächst bei den Perserkönigen, die bereits im 6. Jh. v. Chr. einen regelmäßigen, angareion genannten Kurierdienst mittels reitender Boten eingerichtet und zu einem geordneten System ausgebaut hatten. Die Könige Kyrus und Darius 1. (522 bis 486) überspannten ihr großes Reich mit einem dichten Straßennetz mit gleichmäßig verteilten Stationen zum Wechseln der Pferde für die Tag und nacht verkehrenden Reitposten... Für den Nachrichtendienst waren die Beamte und Boten angestellt, die mit besonderen Rechten ausgestattet waren. Die Gestellung von Pferden, Futter usw. war den Untertanen als Frondienst auferlegt. Der Kurierdienst erstreckte sich über alle Teile des persischen Reiches und war auf den Hauptverkehrsstrecken noch mit Rufposten und Signaleinrichtungen kombiniert, so daß die Könige oft noch am gleichen Tag alle wichtigen Vorgänge in ihrem Herrschaftsbereich erfahren haben sollen... Das allpersisische Nachrichtenwesen stand ausschließlich im Dienste der Herrscher.“[4]
 
Die griechischen Historiker Herodot und Xenophon haben insbesondere die 2 500 km lange Strecke zwischen Sardes und Susa, der Residenz von Darius 1. mit ihren 111 Relaisstationen bewundert.Da das Kommunikationsnetz an das Schicksal des Herrscherhauses gebunden war, hat es kaum 200 Jahre Bestand gehabt. Mit Alexanders Asienfeldzug zerfiel die ,Staatspost'.

Das osmanische Reich übernahm einzelne Postwege des römischen Cursus Publicus - und sicherlich auch einzelne Routen aus dem alten persischen Netz. Zu eigentlichen Straßen baute es die Verkehrswege nicht aus: „Das von Europa überaus bewunderte Straßennetz des osmanischen Reiches besteht im 17. und 18.Jh. aus schmalen, gepflasterten Mittelstreifen für die Reiter, nur drei Fuß breit, jedoch nach beiden Seiten von Herden und Fußgängern zu Saumwegen von zehnfacher Breite ausgetreten.“[5]
 
„In China ist ein staatlich organisierter Nachrichtenverkehr schon unter dem Herrscherhaus Tschou (1122 bis 225 v. Chr.) nachweisbar, das mit Hilfe eines aus­gedehnten Wegesystems über das weite Reich regierte. Eine ,Regierungspost' erstreckte sich über alle Teile des Landes und bediente sich der Boten zu Fuß und zu Pferd.

Ein regelmäßiger Nachrichtenschnellverkehr unter Anwendung des Relaissystems scheint sich jedoch erst unter Konfuzius (551-479 v. Chr.) entwickelt zu haben ...[6]

Diesem System war eine weit längere Lebensdauer beschieden als seinen europäischen Varianten: Marco Polo (1254 bis 1324) ist von diesem Postsystem auf seiner Chinareise jedenfalls ganz begeistert und berichtet, daß sich im Abstand von jeweils 25 Meilen noch immer die Herbergen und Stallungen in bestem Zustand befinden.“ Als ungewöhnlich fällt Marco Polo auf, dass alle drei Meilen auch Häuser für laufende Boten anzutreffen seien.[7]

Zu Lebzeiten Marco Polos hatten die oberitalienischen Städte zwar auch wieder mehr oder weniger regelmäßige Botendienste eingerichtet, die Vollkommenheit des römischen Postwesens, das mit seinem Untergang in der Spätantike ebenfalls zerfiel, wurde in Europa allerdings erst wieder in neuerer Zeit „kaum vor Ende des 18. Jahrhunderts“ (Bräuer, 69) erreicht.

Es ist nun interessant, dass man im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit in Europa die Nachrichtensysteme nicht mehr an Herrscherhäuser koppelte, sondern eine Vielzahl von dezentralen Botensystemen schuf. Sie lagen sowohl in den Händen von weltlichen Herrschern, kirchlichen und anderen Organisationen als auch von Zünften und schließlich wurden sie auch aus rein kommerziellen Gesichtspunkten von Privatpersonen organisiert. Diese Dezentralisierung hat sich auf Dauer als ungemein vorteilhaft erwiesen und sich im Wechsel der politischen Regime, über Naturkatastrophen und Pestepidemien hinweg bewährt. Vor allem aber ermöglichte diese Organisationsform, dass nunmehr breitere Schichten der Bevölkerung an dem ,Postverkehr' teilnehmen konnten. Auch hier wurden die Zugangsvoraussetzungen schrittweise von Rang- auf Marktkriterien umgestellt. Wer nur genügend bezahlte, konnte jede Information rasch weitergeben. Dabei muß allerdings von vornherein gesagt werden, dass die Nachrichten in jener Zeit als Luxusgüter behandelt wurden, die man teilweise nur mit Gold aufwiegen konnte.

„'Es gibt keinen Kurier', schreibt der Gesandte des Herzogs von Ferrara aus Venedig in einem Brief an seinen Herrn, der nicht mindestens einen Dukaten pro Brief verlangt' - obwohl die beiden Städte Ferrara und Venedig relativ nahe beieinander liegen. Anfang des 16. Jhs. variieren die Preise für den Weg zwischen Venedig und Nürnberg je nach der Zeit, in der die Strecke zurückgelegt wird. Bei 4 Tagen Beförderungszeit kostet der Brief 58 Florin; bei 4 Tagen und 6 Stunden 50 Florin; bei 5 Ta­gen 48 Florin; bei 6 Tagen 25 Florin ...“[8]
 

„Nur die großen Bankiers und die Regierungen können es sich noch leisten, derartige Luxusbeförderungen in Anspruch zu nehmen, deren Preis übrigens mit den Jahren unaufhörlich steigt. Am 14. Juli 1560 schickt Chantonnay, der damalige Botschafter Philipps II. am französischen Hof, einen Kurier von Chartres nach Toledo und zurück, der insgesamt 179 Poststationen durchläuft und 358 Dukaten kostet (2 Dukaten pro Station). Eine gewaltige Summe, weit mehr als das Jahreseinkommen eines Lehrers an der Universität von Padua oder Salamanca! ... Die Reichen können sich auch die unmenschlichsten Leistungen erkaufen.“[9]

 

Abb. links: Wegmesser aus Dresden von 1584 (Christoph Trechsler d. Ä, Staatl. Mathematisch-Phisikalischer Salon Dresden)
Abb.rechts: Landmesser mit Messketten und stäben bei der Arbeit 1575 (??? Kat. Nummer 23)
 

 
[4] Hans-Jochen Bräuer: Die Entwicklung des Nachrichtenverkehrs. Eigenarten, Mittel und Organisation der Nachrichtenbeförderung. Diss. Oec. an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, Nürnberg 1957, S.67/68. Er stützt sich vor allem auf Wilhelm Götz: Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels, Stuttgart 1888, S.165 ff. und Karl Sautter: Die Post im Leben der Völker im Wandel der Zeit. In: Archiv für das Post- und Fernmeldewesen, Frankfurt 1950, S.105 ff.
 
[5] Fernand Braudel: Das Mittelmeer und die mediterane Welt in der Epoche Philipps II., Bd. 1 Frankfurt, 1990, S. 410 (zuerst 1949)
 
[6] Bräuer 1957 obcit S. 68 unter Berufung auf Sven Helander: Nationale Verkehrsplanung, Jena 1937, S. 8ff.
 
[7] Werner Hadorn/Mario Cortesi: Mensch und Medien. Bd.2: Die Geschichte der Massenkommunikation, Stuttgart 1986, S. 24.
 
[8] Braudel, obcit Bd. 2, S. 32.
 
[9] Braudel, obcit Bd. 2, S. 35