„Auf Grundlage der Börse,
des Abrechnungslokals für die auswärtigen Buchhändler in
Leipzig, kam es auf Initiative der süddeutschen Buchhändler
schließlich 1825 zur Gründung des Börsenvereins der Deutschen
Buchhändler [1],
eines Wirtschaftsverbandes, in dem alle Handelsstufen vereinigt waren,
die ihrer Natur nach um Konditionen und Rabatte konkurrierten. Die gemeinsame
Vertretung der Verleger- und Sortimenterinteressen im Börsenverein
ermöglichte die Durchsetzung eines einheitlichen Urheberrechts, das
den illegalen Nachdruck unterband, und die Einführung des festen
Ladenpreises, der die unkontrollierbare Schleuderei verhinderte. Die Preisbindung
letzter Hand, bis heute das Fundament des deutschen Buchhandels, wurde
mit der Satzungsrevision des Börsenvereins 1887/88 eingeführt.
Juristisch kommt die Ladenpreisbindung dadurch zustande, daß der
Verleger die Sortimenter (ggf. über einen Zwischenhändler) auf
einen einheitlichen Verkaufspreis an das Publikum verpflichtet. Legitimiert
wird der feste Ladenpreis durch kultur-, regional- und sozialpolitische
Argumente (große Titelvielfalt, breitgestreutes Sortiment, mittelständische
Betriebe) [2].
In unserem Zusammenhang ist entscheidend, daß von einer Interessengemeinschaft
von Verlag und Sortiment ausgegangen wird.
Die 'bibliographische’ Spaltung Deutschlands, die auf dem oben angedeuteten
Gegensatz zwischen der 'Leipziger Handlungsart’ und der 'Reichsbuchhändler-Handlungsart’
im Südwesten Deutschlands beruhte, wurde durch einen Kompromiß
in Form des Konditionsgeschäfts [3]
überwunden.
Im Konditionsgeschäft, das im 19. Jahrhundert die „Grundlage
des ganzen Verkehrs“ [4]
bildete, übertrug der Verleger das Verfügungsrecht
an den 'à conditon’ gelieferten Neuerscheinungen auf Zeit
an den Sortimenter. Der Verlag finanzierte die Herstellung und übernahm
damit das wirtschaftliche Hauptrisiko; der Sortimenter arbeitete mit den
ihm zur Verfügung gestellten Artikeln, um Kunden zu gewinnen (Ansichtssendungen,
Anzeigen in der Lokalpresse, Ausstellungen im Schaufenster usw.). Das
konditionsweise gelieferte Werk blieb Eigentum des Verlags, der Sortimenter
bezahlte es erst nach Verkauf und nur im Falle des Verkaufs. Der Sortimenter
hatte also ein Remissionsrecht, üblich wurde „eine nach der
Zurücksendung der nichtabgesetzten Exemplare erfolgende Barzahlung
des Saldos“ an den Verlag [5].
Wie früher der Tausch auf den Messen, so ermöglichte
das Konditionsgeschäft dem Buchhändler die Führung eines
großen und breit sortierten Lagers. Im Unterschied zum Messehandel
war es dem Verlag jedoch möglich, die Auslieferung von Neuerscheinungen
über das ganze Jahr zu verteilen. Von der Lagerhaltung profitierte
der Kunde. In die Krise geriet das Konditionsgeschäft, als die Zahl
der Neuerscheinungen immer mehr zunahm und der Absatz der Konditionsware
gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dramatisch zurückging.[6]
Die für Deutschland charakteristische Buchhandelsorganisation
des Börsenvereins ist von einem Gemeinschaftsdenken geprägt,
das das Wohl der Gesamtheit der Berufsangehörigen im Auge hat und
sich an den alten Innungsgedanken anlehnt (vergleichbar mit den Handwerkskammern,
Anwaltskammern und anderen berufsständischen Organisationen).[7]
Dies ist besonders bemerkenswert, da der Buchhandel
niemals in Zünften organisiert war und sich erst im Zeitalter der
Industrialisierung aus gemeinsamen Interessen zusammenschloß und
mit der Ladenpreisbindung die Gesetze der freien Marktwirtschaft teilweise
außer Kraft setzte.
Wie die historischen Gewerbeformen die Eigenart der deutschen Entwicklung
prägten, verdeutlicht ein vergleichender Blick auf England und Frankreich.
In diesen Ländern, die den buchhändlerischen Tauschhandel nicht
kannten, bildeten sich keine übergreifenden buchhändlerischen
Organisationen für alle Handelsstufen heraus.“
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