Fliesstext Die Epistemologie der KomSofo in Abgrenzung zur neuzeitlichen natur- und sozialwissenschaftlichen Erkenntnistheorie
   
Das Verständnis des Forschers und seiner Beziehung zu den Untersuchungsgegenständen ist in der kommunikativen Sozialforschung ein grundsätzlich anderes als in der empirischen Sozialforschung und im traditionellen neuzeitlichen Wissensverständnis überhaupt.
Für die empirische Sozialforschung ist die Selbstbeobachtung nur eine Notwendigkeit, um potentiellen Kommunikationspartnern/ Nutzern der Modelle die Wiederholung der Wahrnehmung, des Versuchsaufbaus, der Kodierung etc. zu ermöglichen: "Wenn Sie sich auf den gleichen Standpunkt, wie ich, stellen, die gleichen Kategorien anwenden, kurz: das Setting wiederholen, werden Sie ähnliche Informationen sammeln und zu gleichen Ergebnissen kommen!" Parallelverarbeitung von Informationen soll durch Normierung des Settings und der Programme erreicht werden. Dazu ist es notwendig, die eigenen Programme zu reflektieren und sie dann als Norm zu empfehlen.
In der KomSofo wird die Selbstbeobachtung natürlich auch als Mittel genutzt, Kommunikation zu strukturieren, intersubjektive Überprüfbarkeit herzustellen. Aber darüber hinaus wird sie auch als Medium des Erkenntnisgewinns eingesetzt. Während die Empirische Sozialforschung explizit nur die Umweltbeobachtung und -beschreibung lehrt, nutzt die kommunikative Sozialforschung konsequent und systematisch auch die Methoden der Selbstbeobachtung, um aus dieser auf die Umwelt zu schließen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Anlage von Forschungsprojekten. Sie müssen so gestaltet sein, dass soziale Selbstreflexion zu einem Erkenntnisinstrument werden kann, welches gleichberechtigt neben die distanzierte Analyse der zu untersuchenden Umwelt tritt. Nur in diesem Fall kann die - kaum bestrittene - Tatsache ernsthaft berücksichtigt werden, dass jede Erkenntnis ein Relationierungsvorgang ist, dessen Produkt von beiden Polen/ Relata gleichermaßen abhängig ist. (Vgl......)
 
Die epistemologische Relation
 
Natürlich haben Wissenschaftler immer gewusst, dass sie ihre Untersuchungsobjekte beeinflussen und von diesen vielfältig beeinflusst werden und dass ihre Modelle nicht nur etwas über das Untersuchungsobjekt sondern auch etwas über sie selbst und das Forschungssetting aussagen. Aber sie haben an dem Ideal der Subjekt-Objekt-Trennung und der Objektivität von Beschreibungen festgehalten.
Alle methodischen Anstrengungen zielen deshalb darauf ab, diesem - im Prinzip unerreichbaren Ideal - so nahe als möglich zu kommen. Die wichtigsten Maximen die zur Erreichung dieses Ziels beherzigt werden, sind:  
Gestalte die Datenerhebung so, dass möglichst wenig Wechselwirkungen zwischen dem Forscher und seinen Untersuchungsgegenständen auftreten können!
(Diesem Ideal kommt die Beobachtung hinter einer Einwegscheibe vielleicht am nächsten.)
Verändere die Beziehung zwischen Dir und den Untersuchungsobjekten möglichst nicht: Halte die gleiche Distanz! Nutze die gleichen Beobachtungskategorien! Tue so, als ob während der Datenerhebung die Zeit still steht.
(Dies gelingt nur, wenn die Datenerhebung als Momentaufnahme oder als Folge von Momentaufnahmen gestaltet ist, die Zeit also als stillstehend während des Wahrnehmungsvorganges behandelt wird.)
Versuche Dich als Forscher als eine hochselektive rationale Wahrnehmungs- und Auswertungsmaschine zu verhalten, die möglichst nach den ausbuchstabierten Wahrnehmungs- und Kodierungsrastern funktioniert!
(Andere Sinneserfahrungen, Affekte, Assoziationen etc. stehen im Widerspruch zur Forderung nach Rationalität, Überprüfbarkeit usf.)
Das Modell soll den Untersuchungsgegenstand (und nicht den Forscher) beschreiben.
 
Die Beschreibung soll
 
schriftsprachlich, in mathematischen Formeln und/oder graphisch erfolgen;
Sie soll allgemein sein, d. h. möglichst
an allen Orten
zu allen Zeiten
für alle Personen/Rezipienten gelten.


Dieses erkenntnistheoretische Ideal hat sich im Spätmittelalter mit der Herausbildung visueller, hochgradig genormter Wahrnehmungs- und graphischer Darstellungsformen gesellschaftlich etabliert. ('Perspektive') Im Werk von Albrecht Dürer wird es erstmalig einfach und klar für eine breite Öffentlichkeit als der "richtige Weg" zu wahrer Erkenntnis beschrieben, - und dem Ideal handwerklicher Kunst gegenübergestellt.

 

Die Genese der neuzeitlichen wissenschaftlichen Beschreibungsmethoden im Werk von A. Dürer

Zugleich liefert Dürer auch das Konzept mit, nach dem diese Wissensproduktion sozialisiert, vernetzt werden soll. Es ist ja typischerweise so, dass das eben beschriebene Erkenntnismodell vom einzelnen (ggf. mit Technik bewehrtem) Forscher ausgeht. Die Vergesellschaftung wissenschaftlicher Erkenntnis erfolgt in einem hart abgegrenzten zweiten Schritt nach dem folgendem Modell:

 
Forschungsprozess und -kommunikation (Rückkopplung) in der traditionellen (empirischen Sozial-) Forschung
 
Vernetzungsaufgaben des Forscherteams
 
Zusammenfassung

Die Methodik und Methodologie der neuzeitlichen Natur- und Sozialwissenschaft entspricht den Anforderungen von Wissenproduktion und -verbreitung unter den Bedingungen interaktionsarmer Massenkommunikation. Gedruckte Bücher und Aufsätze sind die hauptsächlichen Speicher und Transmissionsriemen. Die KomSofo orientiert sich daneben und schwerpunktmäßig am Dialog und leistet einen Beitrag zu einer Epistemologie interaktionsintensiver Kommunikation, wie sie auch für neue Vernetzungsformen wie dem Internet wichtig sind. Sie ist auch was die Datenauswertung und -speicherung angeht ohne die elektronischen Medien nicht denkbar.

 

 

 

www.kommunikative-welt.de Methoden ©Michael Giesecke