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Selbstreflexion des Forscherteams zu einer gescheiterten Datenerhebung |
Quelle: Harbart,
Monika/Labusch, Christine/Uhlich, Sabine, Organisationsdiagnose in der
Abteilung „stationäre Patientenaufnahme“ eines Krankenhauses,
Studienarbeit EVFH Hannover 1999, Postgradualer Diplomstudiengang 'Supervision’.
Ltg. Prof. Dr. Kornelia Rappe-Giesecke. |
Als Teil der Datenerhebung sollte
auch eine teilnehmende Beobachtung während einer der regelmäßig
stattfindenden Dienstbesprechungen in der Abteilung durchgeführt
werden. Als die Forscherinnen M. und C. zum vereinbarten Termin eintreffen,
erfahren sie, dass die Dienstbesprechung wegen eines wichtigen anderen
Termins des Abteilungsleiters Herr D. (die Installation einer neuen EDV-„Maschine“)
nicht stattfinden kann. Eine Stunde später entschuldigt sich Herr
D. telefonisch bei den Forscherinnen für sein Verhalten. Im Anschluss
reflektieren die Forscherinnen ihre Gefühle in dieser Situation. „Der Verlauf der Ereignisse an diesem Vormittag löst bei M. und C. starke Affekte aus. Sie haben bei einem vollen Terminkalender diesen Vormittag freigehalten und sind per Bahn und Taxi angereist. Die Kränkung, von Herrn D. kein persönliches Wort zur Situation zu hören, obwohl er im Haus ist, trifft sie tief. M. und C. fühlen sich abgewertet, unfair behandelt und lustlos, was die Weiterarbeit angeht. Sie sind empört darüber, dass Herr D. in Sorge um die „Maschine“ den persönlichen Kontakt unwichtig zu finden scheint. Beim Weggehen vom Krankenhaus entwickeln sie Gelüste, Herrn D. „eins überzubraten“, indem sie die Machtstrukturen des Hauses nutzen. Sie bearbeiten ihre Kränkung, indem sie sich vorstellen, Herrn D. zu sagen: „Wir erheben hier nur die Daten; was Herr Dr. H. und Herr J. [die Vorgesetzten von Herrn D.] damit machen, betrifft uns ja nicht mehr!“ Aus den Bestrafungsimpulsen und Rachephantasien entstehen Rückschlüsse, welch große Bedeutung die Hierarchie und die Machtstrukturen im Krankenhaus haben könnten. Wichtige Daten, die wir anhand dieses Ereignisses gewinnen, sind unter anderen: In Stresssituationen können technische Notwendigkeiten (die Maschine) und die persönlichen Bedürfnisse (Besprechung) konflikthaft aufeinander stoßen. Diese beiden „Welten“ prallen aufeinander, es kommt nicht zu einer Einigung. Das persönliche Gespräch reißt ab. Allerdings ist das Interesse, mit Herrn D. ein Interview zu führen, drastisch gesunken (Der wird sich uns sowieso verweigern! Was soll der schon zu sagen haben?). Der darauf folgende Rückruf von Herrn D. dagegen kommt bei C. als faire und aufrichtige Geste an. Zunächst überrascht über den Sinneswandel entsteht bei C., S. und M. Freude über die Feststellung, einen gewissen Einfluss zu haben. Indem die verständnisvolle Seite von Herrn D. sichtbar wird, spüren wir, dass Kontakt entsteht. Wir glauben zu verstehen, unter welchem Stress seine Reaktion zustande gekommen ist.“ |
Beispiele zur Organisationsdiagnose Stationäre Aufnahme |