Reproduktionsmodelle
   

Reproduktionsmodelle orientieren sich letztlich nicht an Veränderung, sondern an Systemerhalt und Identität, an Wiederholung und der Abwehr von Neuem. Die Massenproduktion von gleichen Industriegütern entspricht dem Ideal identischer Reproduktion ebenso wie biologische Prozesse, die der Erhaltung von Arten dienen. Ein Kulturtheoretiker, der das Reproduktionsmodell favorisiert, ist beispielsweise Ed Schein. Er nennt die "Aufrechterhaltung der Integrität des Systems" als oberstes Funktionsziel von Kulturen. "Kulturentwicklung" erscheint bei ihm dann folgerichtig als "Methode, mit der eine Gruppe ihre Integrität und Autonomie wahrt." Im Grunde haben wir hier kein echtes Veränderungs- und schon gar nicht ein Entwicklungskonzept, sondern eben ein Bewahrungskonzept vorliegen. Solche Konzepte sind im Rahmen von Entwicklungsmodellen ganz unverzichtbar, eben weil sie vollständige Substitutionen verhindern und den Blick auf die Notwendigkeit der Bewahrung kultureller Strukturen auch und gerade in dramatischen Umbruchssituationen lenken. Aber sie reichen natürlich nicht aus, weil sie quasi nur die konservative Seite von historischen Prozessen fokussieren und modellieren.

Kreislaufmodelle bestimmen das Denken vieler östlicher Religionen, z. B. des Buddhismus. Zwar geht dieser von permanenter Veränderung aus, aber diese durchläuft immer wieder gleiche Stadien. Im Grunde sind die Veränderungsprogramme bekannt. Kulturen, deren dominantes Prozesskonzept das zyklische Reproduktionsmodell ist, haben kein Fortschrittsdenken entwickelt, wie es für die europäischen Industrienationen typisch ist. Entsprechend zielt auch die zwischenmenschliche Kommunikation weniger darauf, neue Informationen zu erzeugen, als vielmehr auf Bestätigung und Wiederholung tradierten Wissens.

Wiederholungen in der Sozialgeschichte sind eine Grundvoraussetzung für Zukunftsprognosen: Wenn sich die Dinge hier und jetzt genauso entwickeln wie andernorts, zu anderen Zeiten, dann wird nach der gegenwärtigen Phase t1 die Phase t2 mit den folgenden charakterischen Merkmalen eintreten (vgl. die Entwicklung von Typographeum und elektronischen Medien)!

Man könnte einwänden, Bewahren und Reproduzieren seien keine Veränderungsprozesse und sollten deshalb nicht in diesem Zusammenhang behandelt werden. Jeder Blick in die Geschichte zeigt aber, dass vielfältige Prozesse erforderlich sind, um Abläufe und Objekte zu konservieren. Unter der diachronen Perspektive müssen auch scheinbar bewegungslose Phänomene als Prozesse aufgefasst werden. Tut man dies, so erscheint die Reproduktion von Dingen und Abläufen als Ergebnis von Veränderungsprozessen.
 


 
Beispiel: Beispiele für (kombinierte) Reproduktions- und Gleichgewichtsmodelle                    Beispiel: Mediengeschichte als zyklische Wiederholung                    Beispiel: Konservative Ziele der Buch- und Industriekultur                    Schema: Parameter der Kulturgeschichte