Fließtext Kommunikation als Spezialfall der Koordination von Handeln und Erleben: Soziologischer Ansatz
 
Die Frage: "Wie ist soziales Handeln möglich?" gehört zu den Grundfragen der Soziologie. Man kann soziologische Schulen danach auseinander halten, wie sich ihre Antworten auf diese Frage unterscheiden.
Die (phänomenologische) Wissenssoziologie antwortet: durch Idealisierungen, die die Kooperationspartner vornehmen. Je nachdem, an welcher sozialen Grundsituation sie sich orientieren, denken die Wissenssoziologen dabei eher an alltägliche Erwartungen oder mehr an institutionelle Normen.
Unterscheiden sich die Idealisierungen bzw. die Normvorstellungen, so kann es zu 'Aushandlungsprozessen' kommen. Von Alfred Schütz werden beispielweise fünf Typen von Basisidealisierungen aufgeführt, die die wechselseitige Verständigung ('Reziprozitätsherstellung') ermöglichen sollen: 1)   Excerpt: Die fünf Idealisierungen von Alfred Schütz

 

  1.     Das Austauschbarkeitsaxiom ('Idealisierung der Vertauschbarkeit der Standorte')

 

  2.     Die Gleichheitsidealisierung ('Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme')

 

  3.     Die Idealisierung einer sequentiellen Verkettung

 

  4.     Die Idealisierungen des gemeinsamen Symbolsystems

 

  5.     Das Manifestationsaxiom

 
Luhmann löst das Problem der doppelten Kontingenz von Kommunikation und anderen sozialen Handlungen durch eine besondere Vermittlungsinstanz - die Theorie symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien. Im Anschluss an T. Parsons sieht er die Aufgabe der Medien in der Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Kooperation, in seinen Worten: Medien sind "Selektionsverstärker". Kommunikationsmedien dienen der "Sicherstellung der Abnahme von Kommunikation". 2)
Sprachwissenschaftler haben die Sprache, ähnlich wie Luhmann, als Mittel gesehen, das zwischenmenschliche Gespräch zu strukturieren. Hier fungiert der gemeinsame sprachliche Kode als Instanz, die Verständigung wahrscheinlicher macht.
 

1)  Schütz, Alfred: Gesammelte Aufsätze. Bd. 1: Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag 1971, S. 13 u. a. O.
Vgl. auch Giesecke, Michael/Rappe-Giesecke, Kornelia: Supervision als Medium kommunikativer Sozialforschung. Suhrkamp Frankfurt a. M. 1997, S. 84 ff.
2)
  Luhmann, Niklas: Selbstthematisierungen des Gesellschaftssystems. In: Ders.: Soziologische Aufklärung. Bd. 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft. Opladen 1975, S. 172 und später öfter.
Theoriediskussion: Die Unwahrscheinlichkeit sozialer Kommunikation aus wissenssoziologischer (Schütz) und informationstheoretischer Sicht

 

www.kommunikative-welt.de WaKoTraining ©Michael Giesecke