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Informationsblatt - Interaktion und Gespräch |
Interaktion
und Gespräch Motto: Das Gespräch ist ein System, in dem der Einzelne (nur) mitmachen kann, wenn er sich als Element definiert!
Theorieinput
a) Wenn wir mit anderen in Interaktion treten, dann hängen unsere Wahrnehmungen und Bedeutungszuschreibungen nicht mehr nur von unseren biographischen Erfahrungen/Intentionen, sondern auch von unserem Gegenüber ab. Wir stimmen unser Verhalten und Erleben bewusst und unbewusst auf den
anderen ab. Das kann auch gar nicht anders sein, weil wir in jedem Gespräch
Informationen parallel verarbeiten wollen. Da nun jede Person, wie wir
im vorhergehenden Training gesehen haben, unterschiedliche Wahrnehmungs-
und Verarbeitungsprogramme besitzt, setzt Parallelverarbeitung immer voraus,
dass diese Programme aneinander angeglichen werden. Dies geschieht z.
B., indem wir Annahmen (Projektionen!) über die Erfahrungen des Gegenübers
machen, versuchen, seine Erwartungen an uns selbst und an den Gesprächsablauf
in Rechnung zu stellen. Wir gehen damit selektiv mit den Standpunkten
und Perspektiven um, die wir theoretisch einnehmen könnten. Und die Art
dieser Selektivität ändert sich von Partner zu Partner, also von Gespräch
zu Gespräch. Das Training soll nun genau in diesem Punkt unsere Sensibilität erhöhen. Wenn wir also in der Folge mit einem Partner zu Übungen zusammenkommen, so wird es neben der Lösung der speziellen Kooperationsaufgaben immer darauf ankommen, sich selbst zu beobachten und zu bemerken, in welcher Weise der Gegenüber meine Möglichkeiten einschränkt und/oder erweitert.
b) Aus speziellen kulturhistorischen Gründen fällt es uns leicht, die Interaktion als eine Spirale von Reiz und Verstärkung zu verstehen: Indem wir eine Bemerkung zu unserem Gegenüber machen, reizen wir ihn zu einer Reaktion, z. B. auf unsere Beziehung einzugehen oder sie abzulehnen. Unsere Erwiderung zeigt mehr oder weniger deutlich, ob wir mit der Reaktion auf unseren Reiz einverstanden sind oder nicht. Und natürlich kann unsere Erwiderung vom Gegenüber auch wieder als Reiz interpretiert werden usf. Diese Verkettung gibt uns die Möglichkeit, aus dem Verhalten unseres Gegenübers etwas über uns selbst zu erfahren. Sein Verhalten ist ja Reaktion auf das unsrige. Wir nutzen den anderen als einen Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen können (Wer gute Freunde hat, braucht keinen Spiegel.) Es wäre schön, wenn das Training von Ihnen genutzt würde, um solche Spiegelungserfahrungen zu machen! Andererseits wissen wir natürlich auch, dass nicht immer eine (spiralförmige) Bewegung in dieser Verkettung ist, häufig dreht sich die Interaktion auch im Kreise; im unproblematischen Fall versiegt das Gespräch, im problematischen Fall kommt es zu den sog. 'symmetrischen Eskalationen', zu einem Teufelskreis. Verkettungen dieser Art dürfte jeder kennen:
Der eine erklärt: "Ich ziehe mich von Dir
zurück, weil Du nicht offen mit mir redest".
Voraussetzung, um diesen Gesprächstyp wieder flott zu kriegen, ist zunächst einmal Metakommunikation, das Bemerken des Kreislaufs und seine Thematisierung in dem Gespräch. Man kann dann phasenweise auf eine Interpretationsstrategie umsteigen, die das Gespräch nicht mehr nach dem Reiz-Reaktionsmodell deutet. Eine relativ einfache Möglichkeit einer solchen alternativen Strategie ist es, zunächst nur 'Ich'-Botschaften zu senden, also das eigene Verhalten nicht sofort als Reaktion auf die Reize des Gegenübers zu 'entschuldigen'.
Der 1. Sprecher könnte also formulieren: "Ich
ziehe mich von dir zurück, weil ich ..."
Für solche Möglichkeiten wollen wir uns später in einigen Trainingsphasen sensibilisieren.
c) Unsere Erfahrungen mit Zweiergesprächen haben bei uns zu Normalformerwartungen geführt, die wir nutzen, um uns auf neue Gespräche und Gesprächspartner einzustellen. Normalerweise kennen wir Mutter-Kind, Vater-Kind, Kind-Kind Interaktionskonstellationen und haben für sie - abhängig von unserer individuellen Lebensgeschichte - Programme des Verhaltens und Erlebens entwickelt. Wir 'übertragen' diese Erfahrungen auf neue, auch auf ganz andere Situationen, z. B. auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis. Und auch die in der Schule erworbenen Muster werden im späteren Leben immer wieder auf passende und unpassende Situationen angewendet. Diese Übertragungen sind sehr praktisch und im übrigen ebenfalls unvermeidlich. Die Frage ist nur, ob das Muster passt, ob wir bemerken, wenn es nicht passt, und welche Möglichkeiten wir dann haben, um unsere Gesprächsdefinitionen zu korrigieren. Also: Nicht die Tatsache, dass wir 'übertragen' (projezieren) verdient
unsere Aufmerksamkeit, sondern die Frage, ob wir hier über genügend Muster
verfügen, ob wir einzelne Muster bevorzugen und sie häufig auch auf ungeeignete
Konstellationen anwenden und ob wir vielleicht zu starr an bestimmten
Mustern festhalten, selbst dann, wenn der Gegenüber andere Definitionen
der Situation vorschlägt (vgl. Fremd- und Selbstbilder, gemeinsame Situationsdefinition). |