Eine Funktion von Kommunikationssystemen ist, die Informationsverarbeitung
(Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung, Abgabe) verschiedener Prozessoren
miteinander zu koordinieren. Dazu müssen die verschiedenen Teilnehmer
in den Kommunikationssystemen ihre Informationsverarbeitung wechselseitig
in Rechnung stellen. Sie müssen über die Programme, nach denen sie jeweils
arbeiten, und über die Ergebnisse ihrer Wahrnehmung und Weiterverarbeitung
informiert sein, damit sie sich aufeinander einstellen können.
Eine solche Form wechselseitiger Kenntnis ist unwahrscheinlich - und
eben deshalb ist auch Kommunikation unwahrscheinlich.
Der Modellfall, an dem der Philosoph und (Wissens-)Soziologe Alfred
Schütz die Bedingungen von Verständigung untersucht hat, ist die Verständigung
über visuelle Wahrnehmungen. Damit
A weiß ('in Rechnung stellen kann'), was
B sieht, muss er dessen Standpunkt und dessen
Perspektive auf das Medium kennen - und umgekehrt. Visuelle Wahrnehmung
ist standpunkt- und perspektivenabhängig. Voraussetzung der Verständigung
ist die Wiederholung der Wahrnehmung von
A durch
B ., was Perspektiventausch voraussetzt. Dieser Perspektiventausch
kann dadurch erleichtert werden, dass
A und
B ihre Standpunkte und Perspektiven dem jeweils
Anderen erläutern. Aber auch wenn sie dies nicht tun, müssen die Gesprächspartner
wechselseitig Erwartungen (latente Idealisierungen) über ihre jeweiligen
Standpunkte und Perspektiven bilden. Diese Annahmen/Unterstellungen sind
unsicher; noch unsicherer ist, dass die Erwartungen wechselseitig übereinstimmen.
Reziproke Erwartungen und Erwartungserwartungen - und damit Kommunikation
- sind unwahrscheinlich.
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