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Erfahrungsbericht R. E. zum T-LAB 2 Februar 1994 |
Den Bericht habe ich Anfang Mai beendet. |
Dieses Trainingslaboratorium habe ich mit Spannung erwartet. Spannung, das ist für mich eine Existenz von zwei gegensätzlichen Polen in mir selbst. Zum einen ist da ein „positiver“ Pol, den ich als „Neugier“ bezeichne. Charakterisiert wird er durch die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen und durch die Faszination in Bezug auf den Facettenreichtum und das Verhalten meiner selbst und anderer Menschen. Andererseits gibt es in mir einen „negativen“ Pol, den ich mit „Abwehr“ umschreiben möchte. Abschalten aus Langeweile und Abschließen als Selbstschutz nach innen und außen gerichtet, also mich von anderen abtrennen als auch von meinem eigenen Inneren, beschreiben diesen Pol. Meine Stimmung ist ambivalent gewesen, konkrete Vorstellungen habe ich mir bewusst nicht gemacht, weil sie meine Offenheit einschränken, und meine Hauptsorge war, dass ich körperlich dieses Training nicht durchhalten könnte, weil ich schon seit Wochen krank war. |
Durch das Training habe ich für mich selbst auf der Ebene des Ichs als auch auf der Ebene der Rolle in einer Interaktion, einer Gruppe und Institution eine Menge erfahren. Mein Gefühl während dieser Tage war, wie auch schon zu Beginn des Trainings, wechselhaft. Es war davon abhängig, ob es mir an einem Tag gelungen war, intensive Kontakte zu anderen Menschen herzustellen oder nicht. Besonders Gespräche und Aktivitäten mit „andersartigen“ Teilnehmern haben mich bereichert. Sie haben mir aber auch gezeigt, dass die Grenzen der Intensität einer Interaktion das Maß an Toleranz und Offenheit ist, das beide Teilnehmer aufbringen. Das Training hat mich sehr viel Kraft gekostet und ich bin glücklich, dass ich es bis zum Ende miterleben konnte. |
Erst Monate später habe ich mich mit mir und meiner
Rolle in der Gruppe und Institution bewusst auseinander gesetzt. Während des Trainings und auch kurze Zeit danach habe ich zwar instinktiv gespürt, dass ich etwas „erlebe“, aber greifbar war da nichts. Bei dem Versuch, klare Gedanken zu fassen, etwas von dem Erfahrenen auszudrücken, war ich jedes Mal traurig, weil meine Worte nicht das getroffen haben, was ich gefühlt habe und weil da so wenig „sagbar“ war, und wütend, weil ich gehofft hatte, aus dem Training mehr sagbares mitzunehmen und weil ich von mir selbst stärkere Aktivität erwartet habe. |
Es hat lange gedauert bis ich mich selbst und mein „Gruppen- bzw. Institutionsverhalten“ in dem Trainingskurs akzeptiert und verstanden habe. Ich vielen Gesprächen mit Freunden (außerhalb der Uni) habe ich begonnen, die Gruppe und Institution differenziert zu betrachten, das heißt für mich, zwischen verschiedenen Gruppenstrukturen zu unterscheiden und die Auswirkungen der institutionellen Rahmenbedingungen auf das Ergebnis einer Arbeit und letztlich auch auf mich selbst, in Verbindung mit der Gruppenstruktur zu bringen. So war es dann für mich möglich, Situationen, Bilder, einzelne Sätze, die in mir unangetastet „herumlagen“, in Beziehung zu den jeweiligen Personen zu setzen als auch auf mich Wirken zu lassen und in mir eine Reaktion zuzulassen. Aus der Verknüpfung beider Aspekte sind bei mir neue Gedanken entstanden; für mich hat sich sagbare Erfahrung entwickelt. |
Für mich hat sich bestätigt, dass die Beschäftigung mit mir selbst und die Interaktion mit einer anderen Person mir sehr viel Spaß macht und zu meinen Stärken zählt. Es gab aber ein paar Dinge, die mir vorher nicht bewusst waren. |
Ich habe zum Beispiel nie darüber nachgedacht, wie ich wahrnehme, wenn ich einen Raum betrete oder ein Bild betrachte. Anhand der Vorgehensweise bei der Betrachtung eines Bildes ist mir besonders durch den Vergleich mit anderen bewusst geworden, dass ich systematisch und dabei auf Sicherheit bedacht vorgehe. Nach einer groben Wahrnehmung von Hell-Dunkel-Kontrasten konzentriere ich mich auf den Hintergrund, umkreise das Umfeld, um mich dann in Ruhe dem Hauptgeschehen, hier den Menschen, zu widmen. Dabei ist es für mich wichtig, einen Bezug zu dem Umfeld der Menschen herzustellen. Durch diese Erfahrung wird mir klar, warum ich bei intensiven Gesprächen eine mir bekannte Umgebung vorziehe. |
In einer Interaktion mit einer anderen Person habe ich mich nur dann führen lassen, wenn ich unsicher war oder wenn ich für die Person sehr viel empfunden habe. Ich habe bei dem „Malen zu zweit“, zwei Personen malen auf einem Blatt mit einem Stift ohne miteinander zu reden, die Führung abgegeben, obwohl ich gerne zeichne und keineswegs unsicher bin. Dabei war ich voll auf Katja, einen mir bis dahin unbekannten Menschen, konzentriert. Es hat mich fasziniert, wie das anfängliche Warten meinerseits Unsicherheit ausgelöst hat, die dann gewichen ist und sich in Handeln aufgelöst hat, wodurch sie ihre Vorstellung ausgedrückt hat. Für mich war dieses Erlebnis eine Bereicherung, weil ich häufig zu dem, was ich sage, nur Ergänzungen oder Kritik bekomme und so nur äußerst selten die Gedanken der Interaktionspartner erfahre. Ich habe mich dabei gut gefühlt und werde mich darauf häufiger einlassen. |
Bei der Beschäftigung mit einer anderen Person, bei der es darum ging, ihre Hobbys zu erraten, ist mir deutlich geworden, dass es mir egal ist, ob meine Hobbys erkannt werden oder nicht, während es anderen durchaus unangenehm wäre, richtig eingeschätzt zu werden. Für mich gehört die Kenntnis oder das Erraten von Hobbys nicht zu dem Bereich, den ich schützen müsste. Ich finde es ist ein Erlebnis, wenn sich zwei Menschen wechselseitig aufeinander einlassen, und das setzt für mich Offenheit und Interesse voraus. Die weitaus überwiegende Zahl beschäftigt sich mit sich selbst und den eigenen Zielen und nimmt den Nächsten überhaupt nicht mehr wahr oder sieht ihn als potentielle Bedrohung, und das macht mich oft traurig. |
Die Erfahrungen auf der Ebene der Institution waren für
mich lehrreich. Ich selbst muss mich zwar täglich mit institutionellen
Rahmenbedingungen arrangieren, habe aber intuitiv eine Abneigung gegen jede
Art von Institution. Um einigermaßen damit zurecht zu kommen, verfüge
ich über „Überlebensstrategien“, die mir wohl zum
größten Teil nicht bewusst sind. In dem Training habe ich mich
bei einer „Übung“ anders verhalten, als ich das sonst intuitiv
getan hätte. Die Übung bestand darin, in einer Gruppe gemeinsam einen standfesten Turm aus Papier zu bauen, ohne miteinander zu reden. Die Rahmenbedingungen bestanden in einem Zeitlimit und einer Wettbewerbssituation zwischen drei Gruppen, bei der die Höhe des Turmes Kriterium war. In unserer Gruppe übernahm keiner die Führungsrolle, es entstand Unsicherheit, weil ein Gruppenmitglied nicht verstanden wurde, nur aufgrund des Zeitdrucks wurde ein Turm begonnen, der dann am Schluss umkippte. Ich habe die negative Spannung des „sich nicht Verstehens“ und der Unsicherheit bewusst erlebt und ausgehalten. |
Intuitiv hätte ich diese Übung nicht mit der Gruppe gemacht, weil zu viele der Gruppenmitglieder in ihrem Verhalten ähnlich waren: Abwartend und auf Harmonie bedacht. In dieser Zusammensetzung war es mir unmöglich, eine Führungsrolle zu übernehmen, was ich sonst häufig mache, weil ich das nur in einer „heterogenen“ Gruppe kann. Unter einer heterogenen Gruppe verstehe ich, dass unterschiedliches Verhalten, verschiedne Gedanken und Charaktere in der Gruppe zum Ausdruck kommen. Das führt auch zu Spannungen, die sich aber bei gegenseitiger Akzeptanz positiv auf die Gruppenarbeit auswirken. Für eine erfolgreiche Arbeit ist nicht nur der Druck von außen, sondern eben auch eine positive Spannung in der Gruppe erforderlich. Erkennen konnte ich das durch die Reflexion der Gruppenarbeit der erfolgreichen Gruppe, bei der eine positive Spannung vorhanden war. Besonders schmerzlich war dabei für mich die Erekenntnis, dass ich nicht mit den Menschen am besten zusammenarbeiten kann, die mir gefühlsmäßig nahe stehen, die ich mag, sondern mit denen, die sich von mir deutlich unterscheiden. |
Die Erfahrungen, die ich in der Gruppe gemacht haben, waren für mich neu. Ich habe mich besonders mit der Gruppengröße beschäftigt, weil ich mich in einer Gruppe, die mehr als 6 Teilnehmer hatte, nicht wohl gefühlt habe. Aus meiner Sicht heraus waren wir 12 Teilnehmer keine Gruppe. Das Thema „Gruppe“ war zwar von Außen vorgegeben, aber da war nichts, was das „von Innen“ bestätigt hätte. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, das für jeden Teilnehmer die Freiheit bestanden hat, seine Gedanken spontan zu äußern. Das erschien für mich deshalb nicht möglich, weil der Toleranzgrad sehr gering war und weil zumindest für einige die Sicherheit, dass das Erlebte nicht nach außen getragen wird, nicht gegeben war. Für entscheidend halte ich, das ein Niveaugefälle innerhalb der Gruppe in Bezug auf den Erfahrungshorizont, Reifegrad und den Intellekt bestand. Zu einer Gruppenarbeit gehört für mich letztlich auch die Bereitschaft jedes Einzelnen, Teile seines Inneren einzubringen und Gruppenzielen Vorrang vor den Eigenen zu geben. |
Schon zu Beginn der „Gruppenbildung“ war eine
negative Spannung für jeden Teilnehmer spürbar, für die eine
Person als „Sündenbock“ gefunden wurde, wodurch in meinen
Augen jedoch die Spannungsursache nicht erfasst wurde. Mich hat diese Art
der „Spannungslösung“, einige Teilnehmer waren dadurch
„erlöst“, geschockt. Für mich wäre es wichtig
gewesen, die oben angeführten Gründe näher zu erörtern,
zu mehr Tiefe zu gelangen. Ich konnte das zu dem entsprechenden Zeitpunkt
nicht mehr äußern, dazu war ich zu erschüttert. Es hat lange
gedauert bis ich meine Schwäche akzeptiert habe und für mich eingesehen
habe, das zu dem Zeitpunkt mit den Teilnehmern für mich nicht mehr
„drin“ war. Ganz deutlich wurde bei der Aufgabe, eine Maschine zumalen, die die Gruppe darstellt, dass wir keine Gruppe waren. Denn einige Teilnehmer äußerten, dass es für sie unmöglich sei, gemeinsam eine Maschine zu malen. |
Das Arbeiten in den Kleingruppen hat aus meiner Sicht den Vorteil, das der Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern enger wird, wodurch tiefere Gedanken leichter geäußert werden können. Durch den stärkeren Kontakt ist für mich die Hoffnung größerer Toleranz und Sensibilität sowie stärkerer Bezugnahme auf die Gedanken anderer verbunden. Gleichzeitig fördert eine Kleingruppe die Spontanität und ermutigt eher dazu, die „Maske fallen zu lassen“, während in einer Großgruppe mehr Zeit für den Einzelnen da ist, sich zu überlegen, was er sagen will und sein will. Außerdem ist eine größerer Hemmung da, etwas „falsches“ zu sagen. |
Aus dieser Gruppenerfahrung ziehe ich für mich die Erkenntnis, dass die Gruppengröße, in der ich arbeiten kann und mich wohl fühle, abhängig ist von dem Niveau der einzelnen Menschen, ihrer Bereitschaft zur Offenheit und ihrer Toleranz gegenüber anderen. Die Rolle, die ich innerhalb dieser Gruppe einnehme, ist meist die Führungsrolle, manchmal nehme ich die Rolle eines Vermittlers ein oder des Zuhörers. Mit all diesen Rollen kann ich gut leben. |
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