Strukturgesetze der multiplen Nachricht (A. Moles)
   
  Aus: Abraham A. Moles: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung. Köln, 1971.
 
S. 243
„…Wir gehen von der Feststellung aus, dass die Aufmerksamkeit in sich ein ganzheitlicher Zustand des Individuums und nicht an einen bestimmten Empfindungskanal gebunden ist. Es gibt keine auditive und keine visuelle Aufmerksamkeit, sondern es gibt eine Aufmerksamkeit des Empfängers für sinnliche Nachrichten, die aus der äußeren Welt kommen, und diese Aufmerksamkeit kann sich entweder auf alle Nachrichten verteilen, oder sie kann sich einer von ihnen auf Kosten aller anderen zuwenden. …“
 
S. 244
„…Die multiplen Künste sind sämtlich kollektive Künste, deren Nachricht sich nicht an ein bestimmtes Individuum, sondern an eine mehr oder weniger zahlreiche Gruppe richtet. Die technischen Gründe sind noch klarer. Ein Künstler mag zwar, statistisch gesehen, mit außergewöhnlichen Gaben ausgestattet sein, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass ein Einzelner die verschiedenen und manchmal widersprüchlichen Fähigkeiten hat, die zum Aufbau einer multiplen Nachricht gehören. Multiple Nachrichten stammen von einer Mehrzahl von Individuen, von einer Mikrogruppe von Schaffenden, und wenden sich im allgemeinen an eine viel größere Menge. Oper, Film, Ballett und Theater sind kollektiv, sie wenden sch an eine soziale Gruppe, innerhalb derer sich ein Feld von interpersonellen Beziehungen bildet, die die Voraussetzungen für den Empfang der Nachricht schaffen (L. LEWIN). Im Gegensatz dazu wenden sich Zeichnung, Photographie, Malerei, Skulptur und Literatur an eine Masse isolierter Individuen und an deren innerstes Wesen. …“
 
S. 246
„…Kurz, die multiple Nachricht ist eine unstabile Nachricht; im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung tendieren ihre konstitutiven Teile zum Zerfall; anstatt in immer homogenerer Weise zu verschmelzen, trennen sie sich in einfache, alternierende Nachrichten. Diese Entwicklung ist z.B. beim Ballett sichtbar, das sich aus einem sehr kohärenten Gebärdenspiel nach einfachen musikalischen Themen zum Alternieren von ‘Figuren’, von fast bildhaften Dekors und Musik hin entwickelt hat. …“
 
Vgl. Multiple Nachricht