Fließtext Die triadische Struktur sozialer Idealisierungen (A. Schütz)
   
Alfred Schütz ist in seinen kommunikationstheoretischen Überlegungen der Annahme, daß reziprokes Verstehen im Alltag (und auch in der Wissenschaft) als beständiges Hypothesentesten verläuft, nachgegangen. Er ist zu dem Schluß gekommen, daß kommunikative und damit soziale Idealisierungen im Unterschied zu individuellen Idealisierungen generell einen mehrstufigen und triadischen Aufbau besitzen:

Der Hörer bildet Hypothesen (Paraphrasen) über die Bedeutung von Äußerungen. Er erwartet, daß der Sprecher, wenn er an seiner Stelle stünde, genau die gleiche Bedeutungszuschreibung vornehmen würde, die er selbst im Augenblick vornimmt. Er erwartet weiterhin, daß der Sprecher genau diese seine Idealisierungen bei seiner Äußerung in Rechnung gestellt hat. Als Grundlage für das weitere Handeln des Hörers dient genau jene Erwartungserwartung: 'Ich erwarte, daß der andere erwartet, daß ich erwarte'.

Orientierungsrelevant und handlungsleitend sind demnach in der Interaktion nicht einfach Intentionen, sondern Erwartungserwartungen in der eben vorgestellten triadischen Struktur.
Warum diese Idealisierungen eine triadische Struktur besitzen, wir also jeweils nur von drei konstitutiven Erwartungen auszugehen haben, ist theoretisch unklar. Denkbar wäre durchaus, daß der Prozeß der wechselseitigen Erwartungszuschreibungen zu einem infiniten Regress führt. Im praktischen Leben scheint das Handeln auf der Ebene der Erwartungserwartungen geplant und integriert zu werden. Höherstufige Zuschreibungsstrukturen kommen zwar gelegentlich (Schachspiel, Planung von 'Intrigen') vor, sind aber deutlich die Ausnahme.
Die Annahme der triadischen Struktur hat natürlich auch Auswirkungen auf die Arbeit der Forscher bei der Untersuchung von Gesprächen.

Die Folgen der triadischen Struktur von kommunikativen Idealisierungen für die Untersuchung von Gesprächen