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Die nachlassende Bedeutung nomothetischer Wissensorganisation im Zeitalter dynamischer Datenbanken |
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Generell kann man davon
ausgehen, dass die elektronischen Datenbanken flachere Hierarchien in
der Wissensorganisation ermöglichen. Die intensive Auswertung von
Einzelfällen, wie sie für die Geisteswissenschaften, insbesondere
natürlich für die Geschichtswissenschaft am Übergang vom
19. zum 20. Jahrhundert typisch war, und sich in idiographischen Wissenschaftskonzepten
niedergeschlagen hat, kann eine Renaissance erfahren. Wir sind nicht mehr gezwungen, größere Mengen von Daten/Quellen und/oder von Ergebnissen unter möglichst wenige Oberbegriffe zu subsimieren, und dann im wesentlichen nur diese allgemeinen Zusammenfassungen zu kommunizieren, weil es die elektronische Datenverarbeitung zulässt, mit gleichem Zeitaufwand auch die Exemplare aufzurufen. Ziel kann neben der systematischen Zusammenfassung der Ergebnisse auch die breite Präsentation der aufbereiteten empirischen Fälle sein. Damit entschärft sich der Streit zwischen nomotheoretischer und idiographischer Methode, zwischen Gesetzesaussagen und Fallstudien zu einem Sowohl – als – Auch. Aufgabe intelligenter Datenbanken wird es sein, die als Dateien eingestellten Fallanalysen vielfältigen Systematisierungen zugänglich zu machen. Über standardisierte Parameter lassen sich Quellen/Daten, Methoden, Theoriebausteine und Ergebnisse miteinander vergleichen. Die entstehenden Vernetzungen von Wissensbeständen können selbst schon zu unerwarteten Einsichten führen (strukturelle Emergenz von Wissen). Sie sind jeweils funktional zu spezifischen Erkenntnisinteressen. Sollen andere Fragen beantwortet werden, lassen sich durch andere Suchparameter bzw. Skalierungen alternative Netze auswerfen. Grundsätzlich brauchen sich in diesem Sinne organisierte Datenbanken nicht um die Grenzen zu scheren, die die traditionellen Wissenschaftsdisziplinen um sich aufgerichtet haben. Diese Grenzen besaßen ihren guten historischen Sinn als Deiche, um die vielen Wissensströme der einzelnen Forscher zusammenzuführen, gemeinsame Erkenntnisinteressen, Daten, Modelle usf. zu erzeugen. Die elektronische Wissensorganisation sollte zusätzliche und andere Formen der Zusammenführung der individuell (und kollektiv) produzierten Wissensbestände ermöglichen. Eine dahingehende optimierte Datenbankarchitektur kann viele der Funktionen übernehmen, die ehemals der hierarchischen Sozialorganisation der Wissenschaftler zukam. |
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