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Nicht-axiomatische Wissenschaftskonzeptionen

Während über die Beschreibung des axiomatischen oder euklidischen Wissenschaftstyps unter Wissenschaftstheoretikern weitgehende Übereinstimmung herrscht, bereitet die Charakterisierung der übrigen Typen bzw. Konzepte größere Schwierigkeiten. Dies liegt letztlich darin begründet, dass die deduktive Konzeption die Leitgröße ist. Andere Wissenschaftskonzeptionen konnten sich nur negativ, durch Abgrenzung vom Ideal einer homogenen Einzelwissenschaft profilieren. Sie stehen von vornherein in einer Verteidigungsposition. Dies drückt sich häufig schon im Titel der Verfechter von Alternativen aus, etwa in dem Programm von P. Feyerabend ‘Against Method’ oder in Imre Lakatos Feldzug gegen die ‘Hybris’ ‘aprioristischer’ und ‘apriorischer’ Wissenschaftsverständnisse im Sinne Poppers.(1) Lakatos nutzt denn auch die Opposition deduktiv: induktiv, um die zweite Konzeption, eben als induktive, kasuistische und letztlich ‘antitheoretische’ zu charakterisieren. Hier macht sich die alte Windelbandsche Unterscheidung zwischen idiographischer Geistes- und nomotheoretischen Naturwissenschaften wieder bemerkbar.(2)
Will man die alternativen Konzeptionen positiv darstellen, muss man anscheinend – zumindest im Augenblick – aus dem Gedankengebäude der analytischen Wissenschaftsphilosophie ganz heraustreten. Die hier vorgeschlagene Alternative geht vom Projektcharakter zahlreicher nicht-axiomatischer Einzelwissenschaften aus. Eine logische Analyse der ‘Theoriestrukturen und -dynamiken’ (Stegmüller) dieser Disziplinen wird wenig mehr zutage fördern als Eklektizismus und Widersprüchlichkeit. Vielfach führt sie auch wieder zum Ideal der ‘Fallstudien’ wie es dem auf singuläre Ereignisse abzielenden idiographischen Ansatz vor allem der Geschichtswissenschaft entspricht.


1) Kurz zusammengefasst in J. Lakatos: Die Geschichte der Wissenschaft und ihre rationalen Rekonstruktionen. In: Theorien der Wissenschaftsgeschichte, hrsg. von: Werner Diederich. Frankfurt a. M. 1974, S. 55-119, hier insbes. S. 112ff. Typischerweise unterschlägt schon der Titel, in dem von Wissenschaft nur im Singular die Rede ist, die Möglichkeit einer pluralistischen Wissenschaftskonzeption.
2) Wilhelm Windelband: Geschichte und Naturwissenschaft. 1904.
Excerpt: Wider den Methodenzwang

Zusammenfassung