Alle einigermaßen komplexen kommunikativen Phänomene sind aus mehreren
Systemtypen aufgebaut, die auf verschiedenen Ebenen emergieren. Für
Menschen, Tiere und Pflanzen gilt das sowieso, aber auch für alle kulturellen
Gemeinschaften. Damit sind wir eigentlich in allen Bereichen, die die
Kommunikationswissenschaft interessieren, mit Ambivalenzen konfrontiert:
Jedes Phänomen ist sowohl das eine als auch das andere. Und es ist das
eine nur, weil es auch das andere ist. Zwar kann man die verschiedenen
Systemtypen isolieren, aber da sie sich erst wechselseitig definieren,
führt jede Hervorhebung des einen Pols zu einer latenten Thematisierung
des anderen. Das System wird durch die Beziehungen konstitutiert, und
diese gibt es nur, weil wir zur gleichen Zeit zwei oder mehrere Pole vor
uns haben.
Für uns als Kommunikationswissenschaftler bedeutet dies, dass wir Ereignisse,
die uns eindeutig erscheinen, nicht gut verstanden haben. Wir haben sie
nur in ein System eingeordnet, einfach systematisiert - anstatt uns um
die weiteren Vernetzungen zu kümmern. Erst wenn wir in der Lage sind,
die Ambivalenzen in den Dingen und Vorgängen zu sehen, sind wir auf dem
richtigen Weg.
Für uns als Kommunikatoren bedeutet dies, dass wir uns auf ambivalente
Äusserungen und Definitionen einstellen sollten. Ambivalenz ist nichts
Verwerfliches, wie es manche Erzieher noch immer meinen, sondern Ausdruck
der Komplexität unserer sozialen wie psychischen und biologischen Existenz.
Der Versuch, solche Ambivalenzen herauszutreiben, ist letztlich unmenschlich.
Er simplifiziert uns auf nur eine Systemebene und vernachlässigt damit
den komplexen mehrstufigen Aufbau kultureller und menschlicher Netzwerke.
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