Theoriefaden Von den Leitmedien und den Monomythen zur Multimedialität und den Polymythen

 

 

Alle technischen Instrumente müssen, mit (sozialem) Sinn versehen, ideologisch aufgeladen werden, damit sie zu Elementen der Kultur werden. Diese Sozialisierung führte bislang immer zu einer Rangordnung zwischen den Medien. Informationstheoretisch betrachtet erfüllt diese Hierarchisierung den Sinn, den Prozess sozialer Informationsverarbeitung durch die Festlegung von Prioritäten zu ordnen. Beispielsweise legte man in der Neuzeit fest: Sammle zuerst visuelle Informationen und verarbeite sie nach rationalen Kriterien! Diese Prämierung der jeweils fortgeschrittensten Kommunikationstechnologie erweckt in den Augen der Zeitgenossen oftmals den Eindruck, es gäbe gar keine anderen Medien und man befinde sich in einer monomedialen Kultur.

Demgegenüber gilt es aber, gerade das Zusammenwirken der unterschiedlichsten Informationsquellen und Kommunikationsbahnen gegenüber der betäubenden Macht der Leitmedien im Auge zu behalten. Genau dieses Zusammenwirken hat in der Neuzeit in den informationspolitischen Diskussionen keine Rolle gespielt. Man sollte diesen Fehler in der gegenwärtigen Diskussion um die 'Neuen Technologien' nicht wiederholen und stattdessen den funktionalen sozialen Sinn der vielfältigen spezifischen Medien, Sensoren, Speicher, Effektoren betonen. Statt einer hierarchischen Bewertung muss der ambivalente Charakter der Technologien und ihr begrenzter Einsatzbereich hervorgehoben werden.
Nutzen wir vor allem in einem ersten Schritt die positive Ideologisierung der neuen Medien, um zu einer ambivalenten Haltung gegenüber der traditionellen typographischen Kommunikationstechnologie und deren elektronischen Fortsetzungen zu gelangen.
Im zweiten Schritt können dann durch eine Konfrontation der Leistungen bestimmter unmittelbarer Gesprächsformen mit der multimedialen technisierten Informationsverarbeitung Daten über Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Systemtypen erhoben werden. Richtschnur kann der in diesem Projekt schon ausführlich genutzte Systemvergleich sein.

Multisensuelle Informationsverarbeitung (Synästhesie) anstatt weiterer monomedialer Ausdifferenzierung

Der Gang der Kommunikations- und Mediengeschichte unterscheidet sich insoweit nicht von jenem unserer Wirtschaft und der übrigen Technik. Es ist die Geschichte von zunehmender Arbeitsteilung, einer ungeheuren Spezialisierung der materiellen Produktion. Je mehr die Arbeitsteilung vorangetrieben wird, desto stärker wird der Aufwand und die Notwendigkeit, sie wieder zusammenzuführen. Ab einem bestimmten Punkt zahlt sich Differenzierung überhaupt nicht mehr aus, weil der Planungs- und Integrationsaufwand zu groß wird. Dieser Punkt scheint sowohl auf dem Felde der Ökonomie als auch auf jenem der Informationsverarbeitung schon vielfach erreicht.

Der Höhepunkt der Taylorisierung ist in den westlichen Industrienationen überschritten, das Management setzt auf flache Hierarchien, auf Teamarbeit und misstraut zunehmend unserer Fähigkeit, Auseinandergerissenes im Nachhinein wieder in einem ökonomisch rentablen Sinne zusammenfügen zu können. Eben deshalb beginnt man selbst in diesem hochartifiziellen Bereich die Produktivkraft des Gesprächs zu entdecken.

Mit der Spezialisierung der Informationsverarbeitung und der technischen Ausdifferenzierung der Medien ist in unserer Kultur ein Verlust des Gefühls für die rechten Proportionen zwischen den Sinnen, zwischen Verstand und Gefühl, zwischen kausalem Denken und Kreativität, zwischen sprachlicher und anderer Darstellungsform einhergegangen. Ähnlich wie die Gelehrten in der Renaissance das ausgehende Mittelalter als eine Zeit kritisierten, in der die Harmonie verlorengegangen sei, so wird auch jetzt der Ruf laut, einseitige Technisierungen und spezialisierte Interaktionsformen zurückzubauen. Das Stichwort ist gegenwärtig 'Ganzheitlichkeit' oder - im wissenschaftlichen Kontext - 'systemisches Herangehen'. Damals ging es um die 'wahren Proportionen', und vor allem der Kunst kam die Aufgabe zu, in dieser Richtung neue Maßstäbe zu setzen.
 

Wer nur in Unterschieden denkt, kann keine Ganzheiten verstehen.
Wer nur Gemeinsamkeiten sieht, begreift nicht die Unwahrscheinlichkeit von Systembildungen.

Monokulturen sind nicht nur in der Landwirtschaft gefährlich!

Fliesstext: Von den Mythen und ambivalenten Leistungen der Buchkultur über die Versprechungen der neuen Medien zu den ökulogischen Visionen der Informationsgesellschaft (Leittext)                    Fliesstext: Multimedialität aus ökologischer Perspektive