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04 Normen

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Fliesstext Soziale Wahrnehmung - Soziale Normen

In Modul 03 beschäftigen wir uns mit dem individuellen Charakter unserer menschlichen Wahrnehmung: Selektion, Konstruktion, biographische Determinierung.

Dies ist richtig und wichtig. Nur weil wir so unterschiedlich sind, deshalb ist soziale Informationsverarbeitung nichts selbstverständliches sondern muss gelernt werden.

Man kann allerdings auch sagen, weil unser biologischer und psychischer Apparat (unsere Hardware) so ähnlich ist - wir sind eben alle Menschen - sind ähnliche Formen von Wahrnehmung, Denken und Handeln zu erwarten.
Sie sind auch deshalb zu erwarten, weil wir in einer ähnlichen kulturellen Umgebung leben, z. B. von den gleichen technischen Gegenständen umgeben sind und, weil wir häufig mit anderen Menschen zusammenarbeiten und dabei unsere psychischen Prozesse aufeinander abstimmen müssen.

So wie wir durch gleiche Computerprogramme auch auf unterschiedlichen Rechnern zu ähnlichen Ergebnissen kommen, so können wir auch unser Handeln und Erleben programmieren, sozialen Normen unterwerfen.

1. Dies kann weitgehend unbewusst, nebenher durch Gewohnheit und Übung geschehen (z.B. Lernen von gesprochener Sprache).
2. Es kann aber auch bewusst gelenkt werden, indem man sozial anerkannte Normen übernimmt. Meist geschieht dies in speziellen Institutionen unter Mithilfe von Lehrern ( z.B. das Lernen der Standardschriftsprache in der Schule).

 

Es wird davon ausgegangen, dass unsere Wahrnehmung der soziale Wirklichkeit nicht 'objektiv' ist. Wir sehen die Menschen (und Situationen) um uns herum nicht wie sie sind, wir machen uns ein Bild von ihnen.

Versuche die Vorgänge zu unterscheiden, die ablaufen, wenn wir Personen oder Situationen einschätzen, sind im folgenden unter a) bis e) zusammengefasst.

In der Praxis geht das so, dass wir aufgrund von Wahrnehmungen und Informationen anderen Menschen Eigenschaften zuschreiben. Dabei können uns dann verschiedene (zum Teil recht ähnliche) Fehler unterlaufen.

a) Die Einschätzung "auf den ersten Blick": Der erste Eindruck bestimmt
  nachhaltig das Bild, das wir uns von einem Menschen machen. Wir sehen die
  äußere Erscheinung des anderen und fühlen spontan Sympathie oder Antipathie.
  Von diesem spontanen Gefühl wird dann unsere Wahrnehmung des anderen
  beeinflusst. Wir übersehen einfach bei Menschen die uns gefallen alles, was nicht
  zum ersten positiven Eindruck passt. Das gilt natürlich umgekehrt genauso. Hier
  wird die Selektivität unserer Wahrnehmung besonders deutlich.
   
b) Stereotype/Vorgefertigte Bilder: Stereotype steuern unser Wahrnehmung und
Informationsverarbeitung von sozialen Gruppen. Sie wird dadurch schneller und
rationeller, da wir Personen so in überschaubare Kategorien einteilen können.
Nicht jede Person muss als Einzelfall behandelt werden, deren Eigenschaften
zunächst bis ins einzelne bestimmt werden müssen, bevor Interaktion möglich ist.

Jede Kategorisierung, die den Einzelfall nicht ausreichend beachtet, ist allerdings anfällig für Fehler und so ziehen wir mit Hilfe von Stereotypen auch ungerechtfertigte Schlüsse.

Wenden wir auf eine Person ein Stereotyp an, so nehmen wir sie als Mitglied einer sozialen Gruppe wahr, deren Mitglieder bestimmte für sie typische Eigenschaften zugeschrieben werden. Das bietet den Vorteil, dass wir aus den unendlich vielen Eigenschaften, die Menschen haben können, bereits eine Vorauswahl haben. Begegnen wir nun einem Menschen, so können wir diese Vorauswahl nehmen und mit ihrer Hilfe überprüfen, ob dieser Satz von Eigenschaften zutrifft. Bei denen wo es stimmt machen wir gewissermaßen einen Haken und nicht Zutreffendes kann gestrichen und durch Passenderes ersetzt werden. Hätten wir diese Vorauswahl nicht zur Verfügung, so müssten wir notgedrungen alle möglichen Eigenschaften von Menschen durchgehen und würden dazu vermutlich relativ lange brauchen.
Einerseits kann also ein Stereotyp verhindern, einen als Individuum wahrzunehmen und andererseits brauchen wir es, um bei der Begegnung mit einem Menschen nicht jedes mal sämtliche mögliche Eigenschaften durchtesten zu müssen. Beispiele für Stereotype sind: Nationenstereotype (ein Franzose), Geschlechterstereotype, Berufsstereotype (ein Lehrer !), politische Stereotype (ein Rechter!).

Beispiel  Geschlechtsstereotype

Ein weiteres Wesen der Stereotype und auch ein Gutteil ihrer Attraktivität liegt darin, dass sie uns ermöglichen, nicht nur die anderen einzuteilen, sondern auch uns selbst von anderen abzugrenzen. So wie wir Stereotype über andere Gruppen haben, haben wir auch Stereotype über uns selbst, über die Gruppe, der wir angehören. Das gemeinsame Stereotyp einer Gruppe schafft Zusammenhalt gegenüber anderen Gruppen, die 'so und so' sind.

c) Halo-Effekt: Eine hervorstechende Eigenschaft einer Person bestimmt den
  Gesamteindruck. Alles andere wird davon überstrahlt und nicht mehr bemerkt
  (halo (griech.): 'Hof' um eine Lichtquelle)
  "Ein erfolgreicher Mann!"
  "Ein schwacher Schüler."
  Der Halo-Effekt hängt auch mit sozialen Normen zusammen. Ein schwacher
  Schüler ist nicht derjenige, der in Kunst und Religion schlecht ist. Es sind die
  zentralen Fächer, wie Mathe, Deutsch, Englisch, die den Gesamteindruck
  bestimmen. Wer hier gut ist, der ist ein guter Schüler. Schwächere Leistungen in
  anderen Fächern werden dann einfach weniger beachtet.
   
d) Logischer Fehler: Wir nehmen häufig an, dass bestimmte Eigenschaften einfach
zueinander gehören, dass sie logischerweise zusammen auftreten:
- intelligent, kritisch, ehrgeizig
- dick, dumm, gefräßig
  - sauber, anständig, höflich
  - schmutzig, arm, ungebildet
   
e) Zuschreibungsfehler: Grundsätzlich ist es nicht möglich die Eigenschaften
  anderen Menschen zu sehen, sie zu beobachten. Was wir tatsächlich sehen ist
  das Verhalte von Menschen in bestimmten Situationen. Aus dem beobachteten
  Verhalten ziehen wir dann Rückschlüsse auf die Person. Sehen wir jemanden,
  der eine Verkäuferin anschnauzt, so können wir ihn zum Beispiel für streitlustig
  halten. Eine andere Interpretation wäre zu denken, der weiß ganz genau, dass
man mit Beschwerden nur dann etwas erreicht, wenn man laut wird.

 

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