Den Ausschlag für diese
unterschiedliche Entwicklung liefern die Hormone. Vor allem Testosteron,
das wichtigste männliche Geschlechtshormon sorgt dafür, dass bei Jungen
die beiden Gehirnhälften asymmetrisch arbeiten. Möglicherweise bewirkt Testosteron,
dass schon beim Kleinkind die Entwicklung der rechten Hirnhälfte gefördert
wird, so dass sich dort die Region, die für die Bewältigung räumlich-visueller
Aufgaben verantwortlich ist, besser entwickeln kann. |
Weiterhin
wird spekuliert, dass es parallel zu einer Art Wettbewerb zwischen den beiden
Hirnhälften kommt: Wenn weibliche Babys beim Sprechen lernen beide Hemisphären
nutzen, dann machen sich auch die Sprachzentren auf beiden Seiten des Gehirn
breit. Für die Entwicklung räumlicher Fähigkeiten würde dann einfach weniger
Platz bleiben. |
Ein Indiz
dafür, dass Hormone tatsächlich eine Rolle spielen liefert die Entwicklung
von Jungen und Mädchen mit einer Nebennierenüberfunktion. Die Nebenniere
liefert dann zu viele männliche Hormone. Dieser Überschuss hat keinen Effekt
auf männliche Feten, während Mädchen teilweise mit äußeren männlichen Geschlechtsorganen
geboren werden. Mit einer Operation - in weniger schweren Fällen mit einer
Hormonbehandlung - kann man die weiblichen Geschlechtsorgane der Säuglinge
wiederherstellen. |
Dennoch
sind Mädchen mit Nebennierenüberfunktion gesuchte Testpersonen. Weil sie
sich durch die Behandlung bald nach der Geburt äußerlich nicht von anderen
Mädchen unterscheiden, werden sie von ihren Eltern, Geschwistern oder Lehrern
auch wie alle anderen behandelt (was allerdings in Studien immer wieder
überprüft wird, indem die Eltern (von normalen und denen mit Nebennierenüberfunktion)
befragt werden. Deren Aussagen in Bezug auf die Behandlung ihrer Mädchen
werden dann verglichen. So kann man an diesen Mädchen den Einfluss der männlichen
Hormone auf ihr Denkvermögen erforschen und dabei ausschliessen, dass sie
von ihrer Umwelt anders behandelt worden sind, als andere Mädchen. |
Kinder
wurden in ein Zimmer mit verschieden Spielzeugen ('Mädchensachen' wie Puppen,
Puppenküche etc. und 'Jungensachen' wie Bauklötze, Autos, sowie neutrales
Spielzeug wie Bücher und Puzzle) gebracht, in dem man sie spielen liess.
Die Kinder wurden gefilmt, und Beobachter, die nichts über sie wussten mussten
anhand der Aufnahmen messen, wie lange Jungen und Mädchen mit welchen Sachen
spielen. |
Das Ergebnis: Die Mädchen
mit dem Hormondefekt verbrachten wesentlich mehr Zeit mit Bauklötzen und
Autos und interessierten sich weitaus weniger für Puppen als ihre Altersgenossinnen
ohne Hormonprobleme. Die Jungen deren Testosteronspiegel vor der Geburt
außergewöhnlich hoch war, unterschieden sich in ihrem Verhalten dagegen
nicht von ihren 'normalen' Geschlechtsgenossen. |
In anderen
Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass auch das Abschneiden von
Erwachsenen bei Intelligenztest von ihrem derzeitigen Hormonspiegel abhängt.
Frauen leisten an verschieden Tagen ihres Zyklus unterschiedliche Leistungen
bei räumlich-visuellen Aufgaben. Bei einem hohen Östrogenspiegel schneiden
Frauen bei 'frauenspezifischen' Aufgaben besser und bei 'männerspezifischen'
Aufgaben schlechter ab. Andererseits ist das räumliche Vorstellungsvermögen
am besten während der Periode, in der die weiblichen Geschlechtshormone
eine Tiefstand erreicht haben. |
Auch Männer unterliegen
ähnlichen Schwankungen in ihren geistigen Fähigkeiten. Sie erstrecken sich
allerdings nicht über einen Monat, sondern über die Jahreszeiten. Es ist
bekannt, dass Männer in der nördlichen Hemisphäre der Erde im Herbst höhere
Testosteronspiegel aufweisen als im Frühjahr. Tatsächlich ist es so, dass
Männer im Herbst bei räumlich-visuellen Tests besser abscheiden als im Frühjahr. |
Testosteron und Östrogene
so scheint es, spielen einen wichtige Rolle bei der Entstehung der Geschlechtsunterschiede
im Gehirn. Sie geben allerdings eher die Richtung der Entwicklung vor. Was
der Einzelne aus seine Stärken und Schwächen macht, bleibt ihm überlassen.
Und schließlich können auch Frauen räumlich-visuell denken, genauso wie
Männer sprechen können (!) - nur tun sie es eben auf unterschiedliche Weise. |
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