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Die Organisation des Botenwesens |
„Das ausgeprägte Kennzeichen des Verkehrslebens
im späten Mittelalter sind die verschiedenen Botenanstalten, die von
geistlichen und weltlichen Orden, von wissenschaftlichen Institutionen,
sowie von wirtschaftlichen und politischen Korporationen unterhalten
wurden. (Bräuer obcit 75) Bräuer nimmt an, dass „das Fehlen
einer allgemeinen Verkehrsanstalt“ die „verschiedenen Körperschaften“
dazu gezwungen habe, „für ihren Schriftverkehr eigene Beförderungseinrichtungen
zu schaffen“. (Ebd.) Er bestätigt dann, was wir in vielen Zusammenhängen
immer wieder hervorgehoben haben, dass nämlich die mittelalterlichen
skriptographischen Netze durchweg institutioneller Natur sind: Die Botendienste
des Mittelalters „waren meist keine überindividuellen Transportanstalten,
d.h. nicht jedermann zugänglich, sondern sie dienten fast ausschließlich
dem Nachrichtenaustausch bestimmter Interessengruppen.“ (Ebd. 75)
Im einzelnen unterscheidet er drei Typen des mittelalterlichen Botenwesens: |
1. | Sog. „Korporationsbotendienste, die von geistlichen und weltlichen Körperschaften eingerichtet und zur Befriedigung ihrer Verkehrsbedürfnisse unterhalten wurden“. |
2. | „Boteneinrichtungen der Städte mit bereits postähnlichem Charakter, die nicht nur der Unterhaltung geregelter Nachrichtenverbindungen zwischen den städtischen Behörden sondern mehr und mehr auch dem Verkehrsbedürfnis der Allgemeinheit dienten. Sie trugen bereits öffentlichen Charakter, weil sie auch von der Bevölkerung benutzt werden konnten“. |
3. | „Botenanstalten der Landesherren“. Sie „entwickelten sich zu öffentlichen Verkehrsanstalten und bildeten die Ausgangspunkte für die Entstehung landesherrlicher Posten“. (Ebd. 77) |
Zu den Kooperationsdiensten zählen die ,Klosterboten',
die sowohl den Nachrichtenaustausch zwischen den Orden, den Schulen als
auch zwischen Universitäten und kirchlichen Einrichtungen abwickelten.
Teilweise erfolgte dieser Botendienst sogar regelmäßig, wie jener
der Kapuziner zwischen Wien und dem Kloster ,Und' bei Stein. [10] |
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Abb. 8: Jacob Fugger im Kontor, Miniatur
von Narziss Renner (Trachtenbuch des Matthäus Schwarz, Kupferstichkabinett,
Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig) Statistisch am besten erfaßt sind die Nachrichten und politischen Aktivitäten der Signoria von Venedig. Pierre Sadella hat etwa 10 000 Daten über den Postverkehr der Jahre 1497 bis 1532 ausgewertet und auf dieser Grundlage die nachfolgende Tabelle über die Nachrichtenwege und die Zeitspanne der Nachrichtenübermittlung zusammengestellt. Zeitspannen der Nachrichtenübermittlung (von
Venedig) |
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(Tabelle 1: Nach Pierre Sardella) I = Orte, die mit Venedig in Verbindung stehen; II = Anzahl der beobachteten Fälle; III = Anzahl der normal verlaufenden Fälle; IV = Maximalzeit in Tagen; V = gewogenes arithmetisches Mittel in Tagen; VI = Normalzeit in Tagen; VIII = Minimalzeit in Tagen; VIII =
Normalzeit, errechnet aus dem Verhältnis zwischen Normal- und Minimalzeit
auf der Basis einer Minimalzeit = 100.
Marino Sanuda hat zwischen 1497 und 1532 zuverlässig
Tagebuch über die Ankunft von Briefen und Nachrichten geführt,
seine Vermerke enthalten mehr als 10 000 auswertbare Daten. Diese gewaltige
Materialsammlung wurde von Pierre Sardella nach den Regeln der Statistik
bearbeitet. Auf dieser Grundlage entstanden die oben abgebildete Tabelle
und das daraus abgeleitete Schaubild (Abb. 6 bis 8) |
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[10] Vgl.
Karl Sautter, Die Post im Leben der Völker, obcit 1950, S. 125 ff.
und 156 ff. Außerdem Wilhelm Ortmann: Deutschlands Post im Werden
und Wandel des Zeitgeschehens, Düsseldorf/Frankfurt 1950, S. 41 ff.;
F. C. Huber: Die geschichtliche Entwicklung des modernen Verkehrs. Tübingen
1893, S. 51 ff. [11] Otto Sieblist: Das Postwesen, 2. Aufl. Leipzig/Berlin 1918, S. 5. [12] Bräuer, obcit, S. 79. Vgl.: Die Post des deutschen Ritterordens, in: Zeitungswissenschaft, 12. Jahrgang, Berlin 1937, S. 653. [13] Pierre Sardella: Nouvelles et speculation a Venise, Paris 1948 |
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