Während die Natur- und Technikwissenschaften
schon seit längerem soziale, psychische, kulturelle und andere 'fachfremde'
Aspekte ihres Handelns berücksichtigen, behandeln die traditionellen
Geistes- und Sozialwissenschaften die materielle, mediale Dimension ihrer
Gegenstände weit seltener. An ihren Instituten finden sich auch kaum
Ingenieure.
Das Konzept der 'Kulturwissenschaft' und der 'Kultur' bietet die
Chance, die im Zuge der Arbeitsteilung getrennten Natur-, Technik-, Sozial-
und Geisteswissenschaften wieder miteinander in Kontakt zu bringen. Dies
geht aber nur, wenn Kultur sowohl als natürliches als auch als soziales
Phänomen begriffen wird. In diesem Fall haben die Sozial- und
Geisteswissenschaften allerdings auch keinen gegenüber den
Naturwissenschaften und den Technikwissenschaften bevorzugten Zugang zur
Kultur. Die Kulturwissenschaften sind keine Abteilung der Sozial- und/oder
Geisteswissenschaften. Oder anders: Kultur ist kein bloß soziales
Phänomen.
Insbesondere macht es keinen Sinn, von 'Kulturwissenschaft' zu reden,
wenn man damit 'Sozialwissenschaft' meint - oder keine klaren Unterschiede
zwischen sozialen und kulturellen Phänomenen benennen kann. Das gleiche
gilt natürlich auch für die Sprach- und Literaturwissenschaften. Auch sie
sollten sagen, was sie anders sehen, wenn sie die Welt anstatt als
Ansammlung von Texten und Zeichen als kulturelles Phänomen betrachten.
Will man unter Kultur ein integratives Phänomen verstehen - und nur
dann scheinen mir kulturwissenschaftliche Anstrengungen sinnvoll -, dann
wird man Abschied nehmen müssen von dem Ideal eines homogenen
Objektbereiches, welches für die traditionellen Einzelwissenschaften
konstitutiv ist. Wir werden es mit Objekten zu tun haben, die ganz
unterschiedlicher Art sind, auf unterschiedlichen Ebenen emergieren, und wir
werden der Versuchung widerstehen müssen, diese Unterschiede durch die
Entwicklung einer Makrotheorie wieder einzuebnen. Eine Spezifik der Kultur
liegt darin, dass sie inhomogen ist. Diese Inhomogenität ist auch für den
Objektbereich der Kommunikationswissenschaft konstitutiv.
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