Theoriediskussion Theoretische Grundannahmen des Neurolinguistischen Programmierens (NLP)
 
Wohl den größten theoretischen Beitrag haben die Vertreter des NLP auf dem Gebiet der Wahrnehmungen geleistet. Hier wie auch auf anderen Gebieten gehen sie schon weitgehend nach dem informationstheoretischen Paradigma vor: Wahrnehmung ist Informationsverarbeitung. Und jene ist selektiv. Ihr spezieller Beitrag liegt nun darin, den Menschen nicht mehr nur einseitig auf die visuellen Wahrnehmungsorgane zu reduzieren, sondern auch die spezifische Selektivität der anderen Sinnesorgane herauszuarbeiten.
Jeder Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er bestimmte Sinnesorgane bevorzugt. Es sind besonders drei Typen, die sich relativ klar abgrenzen lassen: Der erste Typ nimmt die Umwelt vorzugsweise visuell auf; der zweite, der auditive Typ, achtet eher auf die Geräusche; und der dritte, der kinästhetische Typ, neigt eher dazu, dem Gefühlten den Vorrang zu geben. Dabei kann man zum einen die taktilen (äußeren) Eindrücke und zum anderen die inneren Emotionen, die Gefühle, unterscheiden. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungstypen haben auch unterschiedliche Präsentationsweisen, Arten und Weisen, wie sie ihre Umwelt darstellen:
"So sagt der 'Augen-Typ' eher, er würde 'etwas (nicht) sehen', er habe '(k)eine klare Vorstellung', er 'sähe etwas (nicht) ein' etc., während der 'Ohren-Typ' schon eher meint, eine Idee 'klänge nicht gut', er habe sich das 'auch bereits gefragt', er 'sage sich immer', etc. Und der letzte Typ spricht davon, dass 'ein raues Klima' auf uns zukommen werde, dass ihm 'kalt würde' (oder schaudere) bei dem Gedanken an das Projekt, oder aber, dass er ein ziemlich 'ungutes Gefühl habe', dass er 'etwas spüre', dass ihm 'schlecht werde' bei diesem Gedanken etc." 1) ( siehe dazu auch Modul 1_Wahrnehmung Fließtext: Erläuterung: Sinne und Repräsentationssysteme (NLP))

 

Jedes Basistraining der NLP-Schule beginnt damit, dass die Teilnehmer durch verschiedene Übungen lernen, welchem Repräsentationstyp sie zuzuordnen sind. Über den Beitrag des NLP zu einer Theorie der Kommunikation gibt es unterschiedliche Ansichten. Wie alle Schulen, die auf dem informationstheoretischen Paradigma aufbauen, tendiert auch das NLP dazu, Kommunikation als einen Spezialfall der Informationsverarbeitung der Individuen zu betrachten. Immer wieder wird betont, dass Kommunikation die Wahrnehmung der eigenen und der fremden Informationsverarbeitung erfordert. So ist es z. B. notwendig, den eigenen sensorischen Typ und jenen des Gegenübers zu kennen, damit man auf einer Ebene miteinander kommunizieren kann. Beharren Ohren- und Augen-Typen auf ihren jeweils eigenen Repräsentationssystemen, kommt es zu Verständigungsschwierigkeiten. Dies ist zweifellos eine richtige Beobachtung, und jede ernsthafte Kommunikationstheorie wird diese Erkenntnis mit aufnehmen.
Ein zweiter wesentlicher Schritt der NLP-Schule zur Entwicklung der Kommunikationstheorie besteht in der Beschreibung der dynamischen Dimension von Gesprächen und der Interaktion von verbalem und nonverbalem Verhalten. Hier sind die Grundbegriffe: Pacing - Rapport - Ankern - Leading.

Pacing heißt eigentlich 'nebeneinander hergehen', und dies sollte der erste Schritt bei einem Gespräch sein. Verbal, mimisch, gestisch und überhaupt durch das gesamte Verhalten versucht der NLP-geschulte Gesprächspartner auf sein Gegenüber einzugehen. Er wiederholt dessen Verhalten auf allen Ebenen, setzt es fort, verstärkt es. Wenn Rogers nur davon sprach, dass es sinnvoll ist, die Aussagen des Klienten zu paraphrasieren, so radikalisieren die NLP-Vertreter diese Einsicht und fordern eine solche Paraphrasierung auch auf dem Gebiet des nonverbalen Verhaltens. Nach einer gewissen Zeit stellt sich durch dieses Verfahren ein guter Kontakt zwischen den Gesprächspartnern, ein 'Rapport' ein. Diese Beziehung ist, eben weil sie sich nicht nur auf den sprachlich intellektuellen Bereich bezieht, hochgradig unbewusst. (Es verlangt viel Training, um seinen Gegenüber so scharf zu beobachten, dass man tatsächlich in der Lage ist, seinem Verhalten zu 'folgen'!)
Erst wenn man auf diese Weise einen guten Kontakt hergestellt hat, kann man beginnen, seine eigenen Ideen bei dem Gesprächspartner zu verankern. Man verbindet kontinuierlich bestimmte körpersprachliche Signale mit bestimmten, immer gleichen sprachlichen Inhalten. Diese Idee geht auf die Experimente von Pawlow über die bedingten und unbedingten Reflexe zurück. Wenn man z. B. immer wieder, wenn man eine Theorie positiv bewertet, die rechte Hand nach oben bewegt und immer, wenn man eine Theorie kritisiert, die linke Hand bewegt, dann wird beim Gegenüber über kurz oder lang mit diesen Bewegungen die Erwartung einer entsprechenden Bewertung verbunden. Diese Technik wird sowohl in der Verkäuferschulung angewandt als auch bei Desensibilisierungen: wer etwa Angst vorm Fliegen oder vor Katzen hat, der verbindet mit äußeren Reizen bestimmte innere Zustände. Die NLP-Therapie besteht dann darin, dass er lernt, mit diesen Reizen andere Reflexe zu verbinden.
Eine gelungene Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur nebeneinander hergegangen wird und dass nicht nur ein Gesprächspartner seine Inhalte verankert, sondern dass man abwechselnd zum Leading übergeht. In diesem Fall werden dann die eigenen Reize vom Gegenüber wiederholt. Ohne die vorherige Herstellung eines guten Rapports scheint ein Übergang zum Führen nicht möglich! (Es entspricht dem strategischen Grundzug des NLP, dass dieser Aspekt der Wechselseitigkeit in der Literatur selten erwähnt wird!) 
 

Übung: 'Rapport klassisch' (nach NLP)     Fließtext: Rapport - Pacing - Leading
 
1)  Aus:  Birkenbihl, Vera F. : Einstieg in NLP. Bremen 1993, S. 14/15

 

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