Fliesstext Die Kommunikationswissenschaft als interdisziplinäres sozialwissenschaftliches Projekt

 

 

Die gegenwärtig in Deutschland einflussreichste Konzeption versucht, die Kommunikationswissenschaft als sozialwissenschaftliches Projekt zu profilieren. In dem ‘Selbstverständnispapier der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuk) vom Januar 2001’ heißt es zunächst: „Die Kommunikationswissenschaft versteht sich heute im Kern als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen.“ (S. 7) Diese Formulierung könnte man noch als Plädoyer für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit (Bindestrich-Disziplin) verstehen. Im weiteren wird aber deutlich, dass die Zusammenarbeit vor dem Hintergrund von Problemen des Alltags erfolgen soll.

Dies entspricht der Konzeption von ‘Projekten’ so wie es gegenwärtig in der Industrie und andernorts unter dem Stichwort ‘Projektmanagement’ ausgeführt wird.(1) Am Anfang und Ende steht ein umgangs- oder fachsprachlich, jedenfalls zwischen Wissenschaft und Praxis gemeinsam zu definierendes Problem. Zu deren Lösung setzen die beteiligten Wissenschaftler (und Praktiker) alle Methoden, Modelle und empirischen Erkenntnisse ein, die von gleich welcher Disziplin und/oder welchen Experten zur Verfügung gestellt werden. Es findet also nicht nur eine Systematisierung von einzelwissenschaftlichen Erkenntnissen (Ebene 1) sondern auch eine unmittelbare Beschäftigung mit der Ebene 0 statt. Im Unterschied zu älteren interdisziplinären Konzepten werden die Forschungsfragestellungen weniger aus den Theorien der beteiligten Einzelwissenschaften als vielmehr aus den Anforderungen der Praxis abgeleitet. Natürlich birgt dieses Herangehen die Gefahr in sich, dass kein gemeinsamer Rahmen gefunden wird.
Dieser Gefahr sind sich die Verfasser bewusst und sie versuchen die Identität des Fachs zum einen dadurch zu wahren, dass sie bestimmte Disziplinen als Hauptlieferanten von Modellen und Methoden auszeichnen, eben die Sozialwissenschaften. Zum anderen grenzen sie den Bereich praktischer Probleme des Alltags, mit denen sich das Projekt ‘Kommunikationswissenschaft’ befassen soll, ein: „Im Zentrum des Fachs steht die indirekte, durch Massenmedien vermittelte, öffentliche Kommunikation“. S. 3
Drittens geben sie eine sehr allgemeine Richtung vor, unter der diese Gegenstände zu behandeln sind. Die mit dieser öffentlichen Kommunikation „verbundenen Produktions-, Verbreitungs- und Rezeptionsprozesse bilden den Mittelpunkt des Fachinteresses.“ S. 3
Hier könnten die allgemeine systemische Informationstheorie mit ihren Input-Output-Ansatz oder das Shannon/Weaversche Modell der Medienkommunikation – oder allgemeine Prinzipien der psychologischen Wahrnehmungstheorie im Hintergrund stehen. Letztlich bleibt unklar, ob eine metadisziplinäre Kommunikationskonzeption angestrebt werden soll und welche Form sie ggfs. haben soll. W. Faulstich nennt als Integrationsinstanz für eine i.d.S. ‘Allgemeine Medienwissenschaft’ die ‘Begrenztheit der Fragestellung’ sowie die ‘endliche Anzahl’ und die endliche Funktion der ‘Medien’.

Excerpt: Allgemeine Medienwissenschaft
Solange ‘Medien’ freilich nicht theoretisch konstituiert sind, bleibt ihre Anzahl und Funktion unendlich. Immerhin zeigt der Versuch, in dieser Richtung Bestimmungen zu formulieren, dass zusätzlich zu den Anforderungen der Praxis und den einzelwissenschaftlichen Modellen ein allgemeines theoretisches Korsett für die Identitätsbestimmung gewünscht wird.
In dieser Richtung sucht die ökologische Konzeption nach Lösungen.

[1] Vgl. Helmut Willke, Systemtheorie, Bd. III, 1998, S. 320
Fliesstext: Die Kommunikationswissenschaft als Kulturwissenschaft