Nimmt man die aktuelle Wissenschaftspraxis
zum Ausgangspunkt, so kann man sagen, das viele kommunikations- und vor
allem medienwissenschaftliche
Überlegungen nicht nur auf ein interdisziplinäres sozialwissenschaftliches
Projekt hinauslaufen, wie es von der DGPuK propagiert wird, sondern auch
auf ein komplexeres Wissenschaftsnetzwerk: Unter Nutzung sowohl von einzelwissenschaftlichen
Theorien aus den Literatur-, Sozial- und Geisteswissenschaften als auch
von Metatheorien z.B. der Kybernetik, Informatik, Netzwerktheorien u.a.
werden Probleme des Alltags und der Einzelwissenschaften – und zwar
nicht nur der Sozialwissenschaften sondern auch der Geistes- und Naturwissenschaften
– behandelt.
Weitgehend offen bleibt bislang noch, wie die verschiedenen Theoriestücke
miteinander verknüpft werden können. Die Aussicht, durch ein
weiteres Aufsteigen auf der Abstraktionsleiter zu noch allgemeineren Hypertheorien
zu gelangen, scheint mäßig realistisch.
Ein Ausweg, könnte ein Verständnis von Wissenschaft sein, das
diese nicht nur als System von Axiomen und als organisiertes Sozialsystem/Institution
sondern auch als Modul in Netzwerken begreift. Dies erfordert es, einen
modularen Aufbau hinsichtlich der Theorien und der sozialen Organisation
des Wissenschaftsbetriebs anzustreben. Die Disziplinen selbst erscheinen
dann als Module in Netzwerken der Wissensschöpfung. Die Frage bleibt,
ob das Konzept der ‘Kulturwissenschaft’ noch als Rahmen benötigt
wird.
Möglicherweise ist aber die Konzentration auf die Wissenschaften
als Katalysator der Netzwerkbildung schon anachronistisch. Es
mag sein, dass die Entwicklung der Wissensschöpfung weggeht von der
Prämierung homogener Objektbereiche. Eine erste Erweiterung
läge dann darin, allgemein von Netzwerken der Wissensschöpfung
zu sprechen und damit die speziellen wissenschaftlichen Formen nicht an
die Spitze sondern neben z.B. alltagspraktische Erfahrungsformen oder
professionelles Wissensmanagement zu stellen.
Eine grundsätzliche Erweiterung bestünde darin, praktische Aufgaben,
z.B. die Beteiligung der Bevölkerung an transnationalen Entscheidungen,
zum Kristallisationspunkt der Netzwerke zu machen. Damit würde die
schon angesprochene Projektorientierung wieder aufgenommen. Die Wissenschaften
wären gleichberechtigte Projektpartner.
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| Es würde sich unter dieser
Voraussetzung empfehlen, dass die Kommunikations- und Medienwissenschaften
– wie die anderen Kulturwissenschaften auch – eine einseitige
Orientierung auf eine einzige Form kollektiver Wissensschöpfung vermeiden.
Sie ließen sich dann weder als homogene Disziplin, noch als interdisziplinäres
Projekt, noch als Metadisziplin und schon gar nicht allein als Kunstlehre
zukunftsweisend organisieren. Alle diese konzeptionellen Ansätze
– und vermutlich noch weitere – sind unverzichtbar und erst
gemeinsam können sie die Ansprüche abdecken, die an diese ‘Wissenschaften’
gegenwärtig gestellt werden. Hierarchisierungen zwischen den verschiedenen
Komponenten sind aus taktischen Erwägungen möglich. Auch werden
in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen unterschiedliche
Schwerpunkte gesetzt werden. Für die Universitäten bspw. gibt
es durchaus Nachholbedarf im Hinblick auf die Formulierung von gemeinschaftsstiftenden
theoretischen Axiomen. Aber insgesamt und auf längere Sicht gesehen
kann die Bevorzugung eines einzigen Wissenschaftskonzepts nur schaden.
Die größere Aufgabe wird darin bestehen, die verschiedenen
Ansätze mithilfe vielfältiger Strategien immer wieder miteinander
in Kontakt zu bringen. Hier kann ökologisches Denken durchaus helfen,
welches die Kommunikations- und Medienwissenschaften als Netzwerk artverschiedener
Formen der Wissensschöpfung und Vernetzung modelliert. Die bedingungslose
Propagierung eines einzigen Wissenschaftsmodells andererseits bedeutet
die Kapitulation vor dieser Anforderung.
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