Excerpt  Mankind Vision - Rebound-Effekte stoppen (Radermacher)

 

 
Aus: Franz Josef Radermacher: Think globally, act locally, In: Forschung & Lehre 12/97, S. 61- 63

Die zentrale Herausforderung beim Übergang in ein neues Jahrtausend ist in der Folge der Weltkonferenz von Rio über Umwelt und Entwicklung die Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung bei gleichzeitiger weltweiter Durchsetzung der Menschenrechte. Die Erde ist heute bedroht durch eine immer rascher wachsende Weltbevölkerung, den ungebremsten Verbrauch von Ressourcen, die zunehmende Erzeugung von Umweltbelastungen und schließlich die immer raschere Beschleunigung von Innovationsprozessen, die letztlich zu einer Unregierbarkeit unserer Gesellschaften führen kann. Die Hoffnung, daß der technische Fortschritt, z.B. in Form einer zunehmenden Dematerialisierung (d. h. der weiteren Reduktion der Umweltbelastungen pro Wertschöpfungseinheit), die resultierenden Probleme lösen wird, hat sich bis heute nicht erfüllt. Das ist u. a. eine Folge des sogenannten Rebound-Effekts, der im Kern dazu führt, daß Einsparungen pro Wertschöpfungseinheit, die aus technischen Fortschritten resultieren könnten, sofort in vermehrte menschliche Aktivitäten (mehr Menschen, mehr Aktivität pro Person) umgesetzt werden.

sse der Globalisierung ein ganz wesentlicher Faktor. Hier ist zukünftig das Dreieck von Anforderungen im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bereich auszutarieren. Allerdings konvergieren die beiden Leitideen der weltweiten Informations- und Wissensgesellschaft und der „nachhaltigen Entwicklung“ nicht automatisch. Konkret kann man sich zwar bei der heutigen Ausgangssituation kaum eine nachhaltige Welt vorstellen, die nicht wesentlich auf Informationstechnologien aufbaut, aber man kann sich sehr wohl Gesellschaften vorstellen, die auf Informationstechnologien aufbauen und nicht nachhaltig ausgerichtet sind.

Die "Falle", in die wir im Rahmen des technischen Fortschritts bisher immer wieder gelaufen sind, besteht darin, daß wir den Fortschritt "on top", also additiv genutzt haben ("Rebound- bzw. Bumerang-Effekt"). Dies besagt, daß die Marktkräfte und die offenbar unbegrenzte Konsum- und Verbrauchsfähigkeit des Menschen dazu führen, daß mit einer neuen Technik letztlich nicht weniger, sondern noch mehr Ressourcen in noch mehr Aktivitäten, Funktionen, Services und Produkte übersetzt werden; man denke hier an mittlerweile mehr als 100 Millionen PCs weltweit, die in der Summe der Nutzung jede Ressourceneinsparung überkompensiert haben, die aus dem Übergang von Großrechnern zu leistungsäquivalenten PCs hätte resultieren können. Wenn man dann noch den kumulativen Energieverbrauch all dieser PCs über die ganze Erde bedenkt und das, was dort an Papier verbraucht wird, und dies mit den Zeiten vergleicht, als weltweit maximal 1.000 bis 10.000 Großrechner im Einsatz waren, dann sieht man, was passiert, wenn man den technischen Fortschritt "on top" nutzt. Derselbe Effekt tritt ein, wenn wir heute anfangen, E-Mail, Videokonferenz, Bildtelefon usw. additiv zu nutzen und diese Hilfsmittel letztlich dann auch dafür eingesetzt werden, noch mehr Menschen noch öfter zu treffen, weil wir bei Nutzung der modernen Kommunikationsmöglichkeiten sehr viel mehr Prozesse als früher bearbeiten und noch mehr Treffen gut vorbereiten können und ja nun auch während des Reisens unsere frühere Büroarbeit erledigen können. Wobei wir uns diesem Trend unter marktwirtschaftlichen Bedingungen übrigens auch nicht entziehen können, weil unsere Konkurrenten ebenso verfahren.

Aufgrund des Gesagten erfordert ein stabiler Weg in eine nachhaltige Welt eine erhebliche Dematerialisierung durch technischen Fortschritt bei gleichzeitiger Vermeidung von Rebound-Effekten. Dies ist eine Frage nach geeigneten Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft. Hier findet heute in einem weitgehend nicht ökologisch und sozial organisierten Umfeld ein Ringen um geeignete Gesellschaftssysteme statt, wobei die USA, Asien und Europa ganz unterschiedliche Ansatzpunkte einbringen.

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