Bisher
war eher von den Unwahrscheinlichkeiten von Kommunikation die Rede. Es kommt
aber noch dicker. Kommunikation ist notwendig immer auch eine paradoxe Veranstaltung.
Wer Paradoxien nicht aushält, wird wenig Freude am Nachdenken über Kommunikation
- und vielleicht auch nicht an den Gesprächen selbst haben. Der grundlegende
und unaufhebbare Widerspruch ist der folgende: Nur unterschiedliche Programme
und Informationen (Differenzerleben!) nötigen die Personen zum Gespräch.
Andererseits sind gemeinsame Programme die Voraussetzungen für gleichsinnige
Bedeutungszuschreibungen und damit auch für Verständigung. Kommunikation
braucht also beides. Ungleichheiten und Differenzerleben auf der einen Seite,
gemeinsame Programme, Standpunkte und Perspektiven, Kodes und Informationen
auf der anderen Seite. |
Wären wir alle gleich,
brauchten wir nicht miteinander zu reden. Wären wir alle nur unterschiedlich,
könnten wir uns nicht verstehen. |
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Praktisch
wird dieser Widerspruch durch zwei Mechanismen gelöst: Sequentielle Organisation
der Informationsverarbeitung und massive Synchronverarbeitung durch mehrere
Prozessoren. |
Sequentielle
Organisation meint, dass wir in der dynamischen Dimension nacheinander
mal den einen und mal den anderen Aspekt mehr betonen. Aber es lässt sich
nicht leugnen, wir sind nicht nacheinander entweder unterschiedlich oder
gleich, sondern wir sind beides immer auch zur nämlichen Zeit. |
Wenn überhaupt, dann
verhalten wir uns nicht wie triviale sondern wie komplexe Maschinen,
die über mehrere Prozessoren/Sensoren/Effektoren verfügen und zugleich,
multisensoriell und multimedial sowohl Informationengleichsinnig als auch
unterschiedlich verarbeiten. |
Paradoxien kann man
nicht auflösen, man muss mit ihnen leben. |
Mit dieser Grundparadoxie
hängen eine Reihe von weiteren zusammen. |
Z.B. kommunizieren
wir zumal bei der face-to-face Kommunikation immer unterschiedliche Informationstypen
auf mehreren Ebenen zu einem Zeitpunkt. Wir sprechen und verhalten uns dabei,
bewegen uns, gestikulieren und besitzen eine Mimik, die gedeutet werden
kann. Damit unsere Botschaften eindeutig sind, müssten sie auf allen diesen
Ebenen kongruent sein, wir müssten mit allen unseren Effektoren eine einheitliche
Nachricht verbreiten. Wir sind aber selbst so komplex, eben ein psychisches
Kommunikationssystem mit unterschiedlichen Kommunikatoren, dass eine solche
Einheitlichkeit nur um den Preis der Unterdrückung von wichtigen Teilen
unseres Selbst zu erreichen ist. So gesehen sind wir kongruent in der Kommunikation,
wenn wir inkongruent sind. Uniformität im Ausdruck erweckt leicht den Eindruck
von Starrheit und Dressur, irritiert oftmals den Zuhörer. |
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Modul 05: Der Mensch als informationsverarbeitendes System II |
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Nun haben Kommunikationsforscher
ausgemacht, dass dauerhaftes Senden von unterschiedlichen Botschaften in
einer Kommunikationsbeziehung auf den verschiedenen Kanälen den Kommunikationspartner
in eine Double-bind-Situation bringt. |
Er weiß nicht, auf
welche der Nachrichten er reagieren soll. Nimmt er etwa die Botschaft auf
dem nonverbalen Kanal, die beispielsweise Ablehnung signalisiert ernst,
so kann der Sprecher immer sagen, dass er auf dem anderen Kanal, dem sprachlichen
etwa, ausdrücklich seine Zuneigung geäußert habe. Wie sich der Zuhörer auch
verhält, immer kann er vom Sprecher beschuldigt werden, nicht richtig zugehört
zu haben. Das eigentliche Problem ist aber hier nicht, dass unterschiedliche
Botschaften gesendet werden, sondern dass der eine oder der andere Kommunikationspartner
leugnen, dass solche Widersprüche vorhanden und im Alltag auch ganz normal
sind. Es geht also hier um die Leugnung von Paradoxien. |
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Modul 10: Double-Bind und paradoxes Kommunikationsverhalten |
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Man kann sich das überhaupt
als Regel merken: |
Wer die Unwahrscheinlichkeit
von Kommunikation nicht wahrhaben will und die grundlegenden Paradoxien
nicht akzeptiert, mit dem wird es schwierig werden, komplizierte Informationsverarbeitungsprozesse
gemeinsam zu bewältigen. |
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Hinzu kommt, dass wir,
wenn wir Informationen kommunizieren, Elemente in sozialen Systemen sind
- aber eben nicht nur in einem, sondern zugleich in mehreren. |
Wir können uns oftmals
überlegen, als Element welchen sozialen Systems (welche Interaktion, welcher
Gruppe, Institution, Gesellschaft, bzw. deren Subsysteme) wir Botschaften
senden und empfangen wollen. Ganz gleich für welches wir uns entscheiden,
immer aber besteht auch die Möglichkeit für uns selbst, für den Gegenüber
und für die Betrachter uns in andere Subsysteme einzuordnen. Da die Bedeutung
unserer Äußerungen aber von dem sozialen Bezugssystem abhängt, als deren
Element sie produziert und interpretiert wird, ergeben sich notwendig immer
gleichzeitig unterschiedliche Bedeutungszuschreibungsmöglichkeiten. |
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Modul 04: Was ist soziale Informationsverarbeitung? |
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Modul 04: Der Mensch als Bestandteil in verschiedenen sozialen Systemen |
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