Übung Erzählanalyse
  Beispiel: Auswertung narrativer Interviews mit Studierenden über ihr Studium/ Mentorenerzählung
 
Ziel Sequentielle Analyse von Transkripten nach den Erzählschema
Einzelarbeit Gruppenarbeit Plenum Einzel-, Gruppen- und Plenumarbeit
Zeitrahmen Die Übung braucht mehrere Sitzungen
Transkript des narrativen Interviews
Erzählschema und
  Erläuterungen zur Erzählanalyse und zum
  narrativen Interview
Vor Ihnen liegt ein Ausschnitt aus der Transkription eines Interviews(der Interviewer ist selbst eine Studentin) mit einer Studentin der Kommunikationswissenschaft (5. Semester, BA) durchgeführt hat. Angekündigtes Ziel des Interviews war es, die Zufriedenheit der Studierenden mit der Studienorganisation zu überprüfen. (Evaluation des Studiengangs) Dies sollte in Form eines narrativen Interviews erfolgen. In der ausgewählten Passage äußert sich die Studentin zur Betreuung durch ihren Mentor, der gleichzeitig die Projektarbeit der Studierenden im 5. und 6. Semester anleitet. Diese Projektarbeit hat einen hohen Stellenwert im Studium.
 
Aufgaben:
 
1. Lesen Sie das Interview individuell durch und notieren Sie dabei die Gedanken, Gefühle und eventuelle bei Ihnen ausgelösten Fragen und Reaktionen.
2. Sequenzieren Sie den Transkriptionstext in überschaubare Aussagen (Propositionen)!
3. Ordnen Sie Ihre niedergeschriebenen Reaktionen (1.) den Sequenzen des Transkripts nach dem Schema ‘Linke Spalte (Transkript)/Rechte Spalte (Reaktion des Lesers)’ zu!
4. Rufen Sie sich das Erzählschema ins Gedächtnis und versuchen Sie, das Transkript vor diesen Hintergrund zu verstehen. Gibt es eine Themenankündigung, was ist die institutionelle Situation, welches Geschehen wird geschildert? Wo finden maximale Detaillierungen statt? Gibt es Schlussfolgerungen der Erzählerin und/oder offene Fragen an die Zuhörer?
Schreiben Sie dann eine etwa einseitige Nacherzählung in Form eines Fließtextes, der nach den Punkten des Erzählschemas geordnet ist.
5. Gruppendiskussion
Vergleich der Nacherzählungen mit dem Ziel, das jeweilige individuelle Verstehen der Transkription zu verstehen!
(Reziprozitätsherstellung über das Verstehen)
Erstellen einer gemeinsamen sequenzierten Fassung des Interviews
Vervollständigung dieser Fassung mit den ausgelösten Reaktionen aller Auswerter mit dem Ziel, eine vollständige Erzählung zu generieren
Kodierung dieser Fassung nach dem Erzählschema
Die kodierte Fassung wird in der Reihenfolge vom Erzählschema abweichen.
Notieren Sie die Abweichungen vom Erzählschema! Z.B. dürften Informationen zu einzelnen Positionen des Erzählschemas fehlen.
Was erreicht der Erzähler durch diese Abweichungen? Was fokussiert/vernachlässigt er?
Versuchen Sie die fehlenden Passagen – unter Rückgriff auf Ihre Notizen zu den ausgelösten Affekten und Gedanken (Linke
Spalte/Rechten Spalte) – zu ergänzen! Ordnen Sie die Passagen neu, sodass eine Erzählung entsteht, die dem idealen Ablaufmuster entspricht. Hier wird es verschiedene Möglichkeiten geben, die Sie in Form von Vorschlägen auflisten können.
Formulieren Sie – unter Rückgriff auf die individuellen Vorlagen – eine kollektive Nacherzählung, die in sich kohärent ist.
6. Hypothesenüberprüfung
  Die kollektive Nacherzählung wird unbeteiligten Dritten vorgelesen. Finden Sie die Erzählung plausibel oder gibt es nach Unklarheiten? Die Überprüfung kann aufgezeichnet und ausgewertet werden. Ziel ist es, eine kohärente, intersubjektiv verständliche Erzählfassung zu erzeugen.
7. Auswertung des narrativen Interviews vor dem Hintergrund der Fragestellung der Interviewer
  Die vollständige Erzählung enthält Schlussfolgerungen der Erzählerin (Position 7 des Erzählschemas) bezüglich des Betreuungsverhältnisses in der Projektstudienphase.
Welche Maximen werden hier für gute Mentoren genannt? Worin unterscheidet sich die fachliche Beratung von der Mentorentätigkeit?
Was würde passieren, wenn die individuelle Schlussfolgerung/Maxime der Erzählerin zur Norm der Mentorentätigkeit erklärt würde?

 

www.kommunikative-welt.de Methoden ©Michael Giesecke