![]() |
Methoden der Mythenanalyse |
|
Die Spezifik der 'Mythen' erfordert spezifische wissenschaftliche Methoden. Man kann sie nicht - wie die Normen - durch Beobachtung kultureller Prozesse entdecken. Auch das Dokumentenstudium oder die Beobachtung natürlicher Phänomene, wie sie zur Feststellung der Gesetzeslage und für naturwissenschaftliche Beschreibungen dient, taugt bei der Mythenanalyse wenig. Vielmehr geht es darum, kulturelle Selbstbeschreibungen, Identitätskonzepte, Grundannahmen etc. im kulturellen Handeln hervorzulocken - so dass Aussagen und Verhalten sogleich zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Die Mythenträger müssen zur Selbsterkundung stimuliert und in diesem Prozess durch Moderation unterstützt werden. Eine hierfür bestens geeignete Form ist der Dialog. Ihm geht es nicht um Entscheidungen, sondern um die Klärung von Positionen. Wenn die Mythen vieldeutig sind, dann muss es der Analyse um die Herausarbeitung dieser Vieldeutigkeit gehen. Dies genau geschieht, wenn in den Dialogen die eingebrachten Informationen 'in der Schwebe gehalten' werden. In Eindeutigkeit überführte Mythen wären keine Mythen mehr, sondern Gesetze, wissenschaftliche Aussagen o. ä. Und Dialoge, die nach einer Wahrheit streben, verlieren ihre Spezifik gegenüber anderen Formen von Gruppengesprächen. Gerade dieser innere Zusammenhang zwischen Mythen und Dialogen gibt letzteren für den analytischen, neuzeitlichen Blick einen 'mystischen' Charakter. Bei historischen Analysen kann ein solcher Dialog natürlich nicht inszeniert werden. Hier bleibt nur, Symbole, Verhalten, sprachliche Beschreibungen u. a. als Beitrag zu einer solchen kollektiven Selbsterkundung zu lesen - und im übrigen die üblichen Formen der kommunikationswissenschaftlichen Trendanalyse anzuwenden. Vor allem wird es darum gehen, die impliziten und expliziten Prämierungen bzw. Abwertungen sowie die subtilen Hierarchisierungen in den kulturellen Selbstbeschreibungen herauszuarbeiten. Ziel ist es dabei, die Disproportionen zu erkennen, die durch die Mythen stabilisiert und legitimiert werden. |