Platon

Phaidros 274c-278b

Sokrates: Also: ich vernahm, in der Gegend von Naukratis in Ägypten sei einer der alten Götter des Landes beheimatet, dem auch der heilige Vogel zugehört, den sie Ibis nennen, - der Name des Gottes selbst sei Theuth. Dieser sei der erste Erfinder von Zahl und Rechnen und von Geometrie und Astronomie, ferner des Brett- und Würfelspiels und vor allem der Schrift. König von ganz Ägypten sei dazumal Thamus gewesen, - er regierte in der großen Stadt des oberen Gebietes, welche die Griechen das ägyptische Theben nennen, und den Gott: Ammon. Zu ihm kam Theuth und zeigte ihm seine Künste und erklärte es für nötig, alle Ägypter daran teilhaben zu lassen. Thamus aber fragte nach dem Nutzen einer jeden, und als jeder seiner Erklärungen gab, teilte er Lob oder Tadel aus, je nachdem, ob ihm eine Aussage gefiel oder missfiel. Vielerlei soll da Thamus zu Theuth nach beiden Richtungen über jede Kunst geäußert haben, - es wäre umständlich, es nachzuerzählen. Doch als er bei der Schrift angelangt war: „Dies, o König", sagte da Theuth, „diese Kenntnis wird die Ägypter weiser machen und ihr Gedächtnis stärken; denn als Gedächtnis- und Weisheits-Elixier ist sie erfunden." Der aber erwiderte: „O meisterhafter Techniker Theuth! Der eine hat die Fähigkeit, technische Kunstfertigkeiten zu erfinden, doch ein andrer: das Urteil zu fallen, welchen Schaden oder Nutzen sie denen bringen, die sie gebrauchen sollen. Auch du, als Vater der Schrift, hast nun aus Zuneigung das Gegenteil dessen angegeben, was sie vermag. Denn sie wird Vergessenheit in den Seelen derer schaffen, die sie lernen, durch Vernachlässigung des Gedächtnisses, - aus Vertrauen auf die Schrift werden sie von außen durch fremde Gebilde, nicht von innen aus Eigenem sich erinnern lassen. Also nicht für das Gedächtnis, sonder für das Wieder-Erinnern hast du ein Elixier erfunden. Von der Weisheit aber verabreichst du den Zöglingen nur den Schein, nicht die Wahrheit; denn vielkundig geworden ohne Belehrung werden sie einsichtsreich zu sein scheinen, während sie großenteils einsichtslos sich und schwierig im Umgang, - zu Schein-Weisen geworden statt zu Weisen."

Phaidros: Ach Sokrates, - aus Ägypterland oder woher du magst, erdichtest du ohne Mühe Geschichten! (...) Ach Sokrates, - aus Ägypterland oder woher du magst, erdichtest du ohne Mühe Geschichten! (...)

Sokrates: Wer denkt, er könne seine Kunst in Geschriebenem hinterlassen, und wer es aufnimmt mit der Meinung, etwas Klares und Zuverlässiges sei aus Geschriebenem zu entnehmen, der ist von reichlicher Einfalt belastet und ist wahrhaftig des Spruchs des Ammon unkundig, wenn er geschriebene Worte zu anderem von Nutzen glaubt als dazu; den Wissenden zu erinnern, worüber geschrieben steht. Wer denkt, er könne seine Kunst in Geschriebenem hinterlassen, und wer es aufnimmt mit der Meinung, etwas Klares und Zuverlässiges sei aus Geschriebenem zu entnehmen, der ist von reichlicher Einfalt belastet und ist wahrhaftig des Spruchs des Ammon unkundig, wenn er geschriebene Worte zu anderem von Nutzen glaubt als dazu; den Wissenden zu erinnern, worüber geschrieben steht.

Aus: Aleida/Jan Assmann/Chr. Hardmeier (Hrsg.),Schrift und Gedächtnis, München 1983, S. 7

Platon: Phaidros (nach der Werksausgabe von Grassi, S. 57)

Sokrates: Nicht zum Ernst also wird er sie ins Wasser schreiben, mit Tinte sie durch das Rohr aussäend, mit Worten, die doch unvermögend sind, sich selbst durch Rede zu helfen, unvermögend aber auch, die Wahrheit hinreichend zu lehren? Nicht zum Ernst also wird er sie ins Wasser schreiben, mit Tinte sie durch das Rohr aussäend, mit Worten, die doch unvermögend sind, sich selbst durch Rede zu helfen, unvermögend aber auch, die Wahrheit hinreichend zu lehren?

Phaidros: Wohl nicht, wie zu vermuten. Wohl nicht, wie zu vermuten.

Sokrates: Freilich nicht; sondern die Schriftgärtchen wird er nur des Spieles wegen, wie es scheint, besäen und beschreiben. Wenn er aber schreibt, um für sich selbst einen Vorrat von Erinnerungen zu sammeln auf das vergessliche Alter, wenn er es etwa erreicht, und für jeden, welcher derselben Sput nachgeht: so wird er sich freuen, wenn er sie zart und schön gedeihen sieht; und wenn andere sich mit andern Spielen ergötzen, bei Gastmahlen sich benetzend und was dem verwandt ist, dann wird jener statt dessen mit dem Genannten spielend die Zeit verbringen. Freilich nicht; sondern die Schriftgärtchen wird er nur des Spieles wegen, wie es scheint, besäen und beschreiben. Wenn er aber schreibt, um für sich selbst einen Vorrat von Erinnerungen zu sammeln auf das vergessliche Alter, wenn er es etwa erreicht, und für jeden, welcher derselben Sput nachgeht: so wird er sich freuen, wenn er sie zart und schön gedeihen sieht; und wenn andere sich mit andern Spielen ergötzen, bei Gastmahlen sich benetzend und was dem verwandt ist, dann wird jener statt dessen mit dem Genannten spielend die Zeit verbringen.

Phaidros: Ein gar herrliches, o Sokrates, nennst du neben den geringeren Spielen: das Spiel dessen, der von der Gerechtigkeit, und was du sonst erwähntest, dichtend mit Reden zu spielen weiß. Ein gar herrliches, o Sokrates, nennst du neben den geringeren Spielen: das Spiel dessen, der von der Gerechtigkeit, und was du sonst erwähntest, dichtend mit Reden zu spielen weiß.

Sokrates: So ist es allerdings, Phaidros. Weit herrlicher aber, denke ich, ist der Ernst mit diesen Dingen, wenn jemand nach den Vorschriften der dialektischen Kunst, eine gehörige Seele dazu wählend, mit Einsicht Reden säet und pflanzt, welche sich selbst und dem, der sie gepflanzt, zu helfen imstande und nicht unfruchtbar sind, sondern einen Samen tragen, vermittels dessen einige in diesen, andere in anderen Seelen gedeihend, eben dieses unsterblich zu erhalten vermögen und den, der sie besitzt, so glückselig machen, als einem Menschen nur möglich ist. So ist es allerdings, Phaidros. Weit herrlicher aber, denke ich, ist der Ernst mit diesen Dingen, wenn jemand nach den Vorschriften der dialektischen Kunst, eine gehörige Seele dazu wählend, mit Einsicht Reden säet und pflanzt, welche sich selbst und dem, der sie gepflanzt, zu helfen imstande und nicht unfruchtbar sind, sondern einen Samen tragen, vermittels dessen einige in diesen, andere in anderen Seelen gedeihend, eben dieses unsterblich zu erhalten vermögen und den, der sie besitzt, so glückselig machen, als einem Menschen nur möglich ist.

Sokrates: Denn diese Schlimme hat doch die Schrift, Phaidros, und ist darin ganz eigentlich der Malerei ähnlich; denn auch diese stellt ihre Ausgeburten hin als lebend, wenn man sie aber etwas fragt, so schweigen sie gar ehrwürdig still. Ebenso auch die Schriften: Du könntest glauben, sie sprächen, als verständen sie etwas, fragst du sie aber lernbegierig über das Gesagte, so bezeichnen sie doch nur stets ein und dasselbe. Ist sie aber einmal geschrieben, so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher, die sie verstehen, und unter denen, für die sie nicht gehört, und versteht nicht, zu wem sie reden soll und zu wem nicht. Und wird sie beleidigt oder unverdienterweise beschimpft, so bedarf sie immer ihres Vaters Hilfe; denn selbst ist sie weder sich zu schützen noch helfen imstande. Denn diese Schlimme hat doch die Schrift, Phaidros, und ist darin ganz eigentlich der Malerei ähnlich; denn auch diese stellt ihre Ausgeburten hin als lebend, wenn man sie aber etwas fragt, so schweigen sie gar ehrwürdig still. Ebenso auch die Schriften: Du könntest glauben, sie sprächen, als verständen sie etwas, fragst du sie aber lernbegierig über das Gesagte, so bezeichnen sie doch nur stets ein und dasselbe. Ist sie aber einmal geschrieben, so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher, die sie verstehen, und unter denen, für die sie nicht gehört, und versteht nicht, zu wem sie reden soll und zu wem nicht. Und wird sie beleidigt oder unverdienterweise beschimpft, so bedarf sie immer ihres Vaters Hilfe; denn selbst ist sie weder sich zu schützen noch helfen imstande.

Phaidros: Auch hierin hast du ganz recht gesprochen. Auch hierin hast du ganz recht gesprochen.

Sokrates: Wie aber? Wollen wir nicht nach einer anderen Rede sehen, der echtbürtigen Schwester von dieser, wie sie entsteht und wie viel besser und kräftiger als jene sie gedeiht? Wie aber? Wollen wir nicht nach einer anderen Rede sehen, der echtbürtigen Schwester von dieser, wie sie entsteht und wie viel besser und kräftiger als jene sie gedeiht?

Phaidros: Welche doch meinst du, und wie soll sie entstehen? Welche doch meinst du, und wie soll sie entstehen?

Sokrates: Welche mit Einsicht geschrieben wird in des Lernenden Seele, wohl imstande, sich selbst zu helfen, und wohl wissend zu reden und zu schwiegen, gegen wen sie beides soll. Welche mit Einsicht geschrieben wird in des Lernenden Seele, wohl imstande, sich selbst zu helfen, und wohl wissend zu reden und zu schwiegen, gegen wen sie beides soll.

Phaidros: Du meinst die lebende und beseelte Rede des wahrhaft Wissenden, von der man die geschriebene mit Recht wie ein Schattenbild ansehen könnte. Du meinst die lebende und beseelte Rede des wahrhaft Wissenden, von der man die geschriebene mit Recht wie ein Schattenbild ansehen könnte.

„Die Ursache für den Erfolg des Alphabets, das David Diringer im Gegensatz zu der „theokratischen“ ägyptischen Schrift als eine „demokratische“ Schrift bezeichnet, hängt damit zusammen, dass seine graphischen Zeichen – und darin unterscheidet es sich von allen anderen Schriftsystemen – Repräsentationen des extremsten und universalsten Beispiels kultureller Selektion sind – des elementaren phonemischen Systems. Die menschlichen Sprechwerkzeuge können zwar eine riesige Zahl von Lauten erzeugen, doch beruhen fast alle Sprachen auf dem formalen Wiedererkennen von nur ungefähr vierzig dieser Laute durch die Mitglieder einer Gesellschaft. Der Erfolg des Alphabets (das gleiche gilt für einige seiner gelegentlichen Schwierigkeiten) gründet darin, dass sein System der graphischen Repräsentation sich diese in allen Sprachsystemen gesellschaftlich konventionalisierte Lautstruktur in allen Sprachsystemen zunutze macht, denn dadurch, dass das Alphabet diese ausgewählten phonemischen Elemente symbolisiert, wird es möglich, alles, worüber die Gesellschaft sprechen kann, ohne Mühe aufzuschreiben und die Schrift ohne Mehrdeutigkeiten zu lesen.

Historisch ist die kulturelle Wirkung der neuen alphabetischen Schrift nicht ganz klar. Was das semitische System angeht, das vielerorts übernommen wurde, so ist deutlich, dass die soziale Diffusion der Schrift gering war. Das hatte seinen Grund zum Teil in den spezifischen Schwierigkeiten des Schriftsystems, in erster Linie aber in kulturellen Merkmalen der Gesellschaften, die es übernahmen. Zu diesen Merkmalen gehört die starke Tendenz, die Schrift eher als eine Gedächtnisstütze zu gebrachen denn als ein autonomes und unabhängiges Medium des Kommunikation. Wo diese Tendenz vorhanden war, trugen die sozialen Wirkungen der Schrift zur Konsolidierung der bestehenden kulturellen Tradition bei. Dies gilt ganz gewiss für Indien und Palästina.“ S.81

„Zunächst ist die Leichtigkeit, die alphabetische Schrift zu schreiben und zu lesen, wahrscheinlich ein bedeutsamer Faktor in der Entwicklung der politischen Demokratie in Griechenland gewesen; im fünften Jahrhundert konnte offenbar eine Mehrheit der freien Bürger die Gesetze lesen und aktiv an Wahlen und Gesetzgebung teilnehmen. Demokratie in unserem Verständnis ist also von Anfang an mit allgemeinem Alphabetismus, der allgemeinen Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, verknüpft. Das gilt weitgehend auch für die politische Einheiten überschreitende Welt der Erkenntnis; vermittels des geschriebenen Wortes erhielten in der hellenischen Welt verschiedene Völker und Länder ein gemeinsames Verwaltungssystem und ein vereinheitlichendes kulturelles Erbe.“ S 104

„Die Niederschrift einiger der wesentlichen Elemente der kulturellen Tradition in Griechenland machte zwei Dinge bewusst: den Unterschied von Vergangenheit und Gegenwart und die inneren Widersprüche in den Bild des Lebens, das dem Individiuum durch die kulturelle Tradition, soweit sie schriftlich aufgezeichnet war, vermittelt wurde. Wir dürfen annehmen, dass diese beiden Wirkungen der allgemein verbreiteten alphabetischen Schrift angedauert und sich – vor allem sein der Erfindung der Buchdruckerkunst – vielfach verstärkt haben.“ S. 105

Nach: Brunner, Hellmut: Altägyptische Erziehung. Wiesbaden 1957, S. 171 ff.

„Schreibe mit Deiner Hand und lies mit Deinem Mund; tue, was ich Dir sage, dann wird mein Herz nicht überdrüssig, Sich zu lehren. Liebe die Schriften und hasse den Tanz, dann wirst Du ein tüchtiger Beamter werden. Hänge Dein Herz nicht an das Vogeldickicht und wende dem Jagdwurfholz den Rücken zu. Schreibe bei Tag mit deinen Fingern und lies bei Nacht; mache Dir die Papyrusrolle und die Schreibpalette zu Brüdern: die sind angenehmer als Rauschtrank. Die Schreibkunst ist für den, der sie beherrscht, nützlicher als jedes Amt, angenehmer als Brot und Bier, als Kleider und als Salben, glückbringender als ein Erbe in Ägypten und als ein vornehmes Grab."

Aus dem Papyrus Lansing, einer Schulhandschrift des Neuen Reiches. Der Lehrer ist „Oberaufseher der Herden des Amun", der Schüler heißt Wentai-Amun.

Gardiner, LEM, S. 99-116; Caminos, LEM, S. 371-428. Späte 20. Dynastie

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"Du Schreiber, sei nicht faul, sonst wirst Dur sofort geduckt werden: Hänge Dich nicht ans Tanze, sonst wirst Du keinen Erfolg haben! Schreibe mit Deiner Hand und lies mit Deinem Mund und frage um Rat die, die mehr wissen als Du. Bereite Dir das Amt eines Rates, dann wirst Du es im Alter erreichen. Erfolgreich ist ein Beamter, der in seinen Stellungen erfahren ist; er spricht Beförderungen aus. Sei ausdauernd bei Deiner täglichen Arbeit, dann wirst Du sie beherrschen. Sei keinen einzigen Tag faul, sonst wird man Dich schlagen. Das Ohr eines Jungen sitzt doch auf seinem Rücken; er hört, wenn man ihn schlägt. Man lehrt sogar einen Affen das Tanzen und richtet Pferde und Falken ab. Pass auf und hör zu, was ich Dir sage; das wird Dir noch nützlich sein."

Aus dem Pap. Anastasi III, einer Schulhandschrift des Neuen Reiches. Der Lehrer ist ein Offizier bei der Wagentruppe und „Bote des Königs in die syrischen Länder von Sile (der ägyptischen Grenzfestung) bis Jaffa", namens Amenemope, der Gehilfe heißt Pabas, Gardiner, LEM S. 23f.; Caminos; LEM, S. 83-85. 20. Dynastie.

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Ein Mann ist zugrunde gegangen, sein Leichnam ist Staub, alle seine Zeitgenossen sind zur Erde gegangen: Das Buch aber ist es, das sein Andenken weiterreicht von Mund zu Mund. Eine Schrift ist nützlicher als ein gemauertes haus, als Kapellen im Westen; besser ist sie als ein wohlgegründetes Schloss, als ein Deckstein im Tempel.

Aus dem Papyrus Chester Beatty IV, Rückseite . Der Anfang dieses Papyrus ist verloren53; es scheint sich um eine besondere Art von Weisheitslehre zu handeln. Die Handschrift stammt aus der 19. oder 20. Dynastie. Gardiner, Hier. Pap. 3rd series, Taf. 18-20, Text S. 37-44. S. 92; 127.

Altägypten: Zeittafel

Frühzeit, 1. und 2. Dynastie um 3000 - 2778
Altes Reich, 3. bis 6. Dynastie 2778 - 2263
1. Wirre, 7. bis 10. Dynastie 2263 - 2130
Mittleres Reich, 11. bis 13. Dynastie 2130 - 1750
2. Wirre, Hyksos-Zeit 1750 - 1580
Neues Reich, 18. bis 20. Dynastie 1580 - 1085
Spätzeit, 21. bis 30. Dynastie 1085 - 332
Ptolemäer-Zeit 332 - 30 v. Chr.
Römische Herrschaft 30 v. Chr. - 395 n. Chr.

 

Hellmut Brunner, Altägyptische Lebensweisheit. Lehren für das Leben. München 1988, S 155 ff.

(III,9) Beginn der Lehre,
die ein Mann aus Sile –
Cheti, Sohn des Duauf ist sein Name –
für seinen Sohn namens Pepi gemacht hat.
Er war damals auf der Fahrt nach Süden zur Residenz,
um ihn (den Sohn) in das Lehrhaus der Bücher zu geben
zwischen die Kinder der Minister,
unter die Elite der Residenz.

(IV,1) Da sprach er zu ihm:
Ich habe Geprügelte gesehen:
Setze du dein Herz hinter die Bücher!
Ich habe aber auch die beobachtet, die man von der Arbeit
befreit hat:
Es geht nichts über die Bücher,
- es ist, wie oben auf dem Wasser zu sein

(IV, 8) Jeder Holzarbeiter, der den Dechsel führt,
der ist müder als ein Hacker auf dem Feld.
Sein Acker ist das Holz, seine Hacke die Axt.

(VI,3) Sehr elend ist der Zimmermann dran, wenn er
herstellt, was auf den Mauern ist,
- das ist die Decke eines Raumes –
in einem Raum von zehn zu sechs Ellen.

(VII,2) Der Weber ist in der Werkstube;
ihm geht es schlechter als einer (gebärenden) Frau,
denn seine Knie drücken auf seinen Magen,
und er bekommt keine Luft.

(VII,4) Der Pfeilmacher – er ist sehr elend dran –
geht hinaus in die Wüste.
Merke: Es gibt keinen Beruf ohne einen Vorgesetzten,
außer dem Schreiber – der ist der Vorgesetzte.

(IX,2) Wenn du schreiben kannst,
so wird das besser für dich sein
als alle die Berufe, die ich dir vorgestellt habe.

Diese Texte (Listen) sind zumeist in Tempeln gefunden, was frühere Wissenschaftler zu der Vermutung Anlass gab, dass es sich hierbei um „kultische Schriftverwendung" handelt „Alle Texte können, wie im einzelnen gleich anzuführen, aus der Sphäre von Verwaltung und Recht stammend verstanden" werden (Schenkel 23). Schenkel unterscheidet folgende Textsorten aus jener Zeit:

a) Aktenauszüge (Besitzerwerbsurkunden, Dienstleistungsverträge, königliche Zuweisung)

b) Feststellung der Personen, die das Begräbnis besorgten

c) Feststellung der ordnungsgemäßen Bezahlung der mit Grabbau und Bestattung beauftragten Personen

d) Androhung von Sanktionen gegen alle, die das Grab beschädigten

e) Forderungen an die Vorübergehenden, dem Toten ein Gebet zu sprechen.

Daneben findet man noch in den Göttertempeln Reden, in denen den Königen Gaben zugewiesen werden.

Man kann also im Großen und Ganzen sagen, dass neben den ersten schriftlichen Aufzeichnungen, die ausschließlich aus Listen bestanden, sehr bald die Verschriftung von einzelnen Sprechakten (Androhung, Forderung) traten.

Man muss im Übrigen beachten, dass funktionale Zuweisung der Schrift an einen Bereich wie Wirtschaft oder Kult für das Altertum fragwürdig sind, weil diese Bereiche gesellschaftlich nicht in dem Maße als Subsystem ausdifferenziert sind, wie wir das heute gewohnt sind.

Assmann (in Assmann 1983) sieht in Ägypten beim Übergang vom Alten zum Mittleren Reich einen Aufschwung der literarischen Gattungen. Im einzelnen werden ff. Themen behandelt:

A „Klagen und Prophezeihungen"

1. „Die Mahnworte des Ipuwer", Papyrus Leiden J 344, Lichtheim (1973), 149-163

2. „Die Prophezeiungen des Neferti", Papyrus Leningrad 1116B, Lichtheim, 139-145

3. „Die Klagen des Chacheperresenb", Schreibtafel BM 5645, Lichtheim, 145-148

B Dialoge

1. „Das Gespräch eines Lebensmüden mit seinem Ba", Papyrus Berlin 3024, Lichtheim (1973), 163-169

2. „Die Klagen des Bauern", Papyri Berlin 3023, 3025 und 10499, Lichtheim, 169-184

3. „Die Rede des Sisobek", Papyrus Ramesseum I, Barns (1956), 1-10

C Unterweisungen

a) Königslehren

1. „Die Lehre für Merikare", Papyrus Leningrad 1116A u. a., Lichtheim (1973), 97-109

2. „Die Lehre Amenemhets I.", Papyrus Millingen, Lichtheim, 135-139

b) Beamtenlehren

1. Die Lehre des Ptahhotep, Papyrus Prisse und 2 Londoner Papyri, Lichtheim, 61-80

2. Die Lehre des Cheti (Berufssatire), Papyrus Sallier II und Anastasi VII im BM, Lichtheim, 184-192

c) Loyalistische Lehren

1. Die Loyalistische Lehre, Papyrus Louvre E 4864 u. v. a., Posener (1976), vgl. Lichtheim, 125-129

2. Die Lehre eines Mannes für seinen Sohn, verschiedene kleinere Quellen, vgl. Posener (1979), 308-316

D Erzählungen

1. „Die Erzählungen des Sinuhe", Papyrus Berlin 3022 und 10499 u. a., Lichtheim (1973), 222-235

2. „Die Erzählung des Schiffbrüchigen", Papyrus Leningrad 1115, Lichtheim, 211-215

3. „Wundererzählungen am Hofe des Cheops", Papyros Westcar (= Berlin 3033), Lichtheim, 215-222

Ich halte alle diese Texte im großen ganzen für Werke des Mittleren Reichs26 (für A2-3, Ca2, b2, c1-2 und D1 ist dieser Ansatz ohnehin gesichert, während A1, B1-3, Ca1 und zuweilen auch D2 in die Übergangszeit davor, Cb1 sogar in das Alte Reich und D3, von einigen auch A1, in die Übergangszeit nach dem Mittleren Reich gesetzt werden), rechne aber nicht mit einer creatio ex nibilo, sondern mit einer längeren, die Übergangszeit nach dem Ende des Alten Reichs umfassende Vorgeschichte, die in vielen dieser Texte (besonders A1, B1-3, Ca1) auch textkritisch noch greifbar ist. Ich gehe davon aus, dass die Entstehung dieses neuartigen literarischen Diskurses zeitlich zusammenfällt mit, und historisch erklärbar ist aus dem Ende des Alten Reichs."

Burkhard Kienast: Keilschrift und Keilschriftliteratur, in : Frühe Schriftzeugnisse der Menschheit

„Die Tatsache, dass gerade die ältesten Texte in Assyrien fast ausschließlich Listen administrativen Inhalts darstellen, zeigt deutlich die Gründe die für Erfindung der Schrift; sie wurde bewusst geschaffen in dem Bestreben, der Verwaltung der Tempelgüter ihre Tätigkeit zu erleichtern." (45)

„Die ältesten Texte enthalten jeweils nur als Zahlzeichen erkannte Symbole, auf die immer nur wenige Zeichen folgen. Diese zeigen noch einen stark bildhaften Charakter: Jedes Zeichen repräsentiert eine vereinfache Darstellung eines gegeben Gegenstandes, wobei komplizierte Bilder, wie etwa Menschen in bestimmten Haltungen, bewusst vermieden werden. „ (46)

„Die Schrift ist damit nur in höchst begrenztem Maße zu echter [ ] Kommunikation brauchbar." (47)

„In scharfem Kontrast zu dieser durchsichtigen Schreibweise stehen freilich die Fachbücher der antiken Gelehrten, deren oft formelhafter Jargon durch ein irritierendes System von Wortzeichen, verbunden mit Aussprachehinweisen, verschleiert wird: Dem Nicht-Eingeweihten soll bewusst der Zugang zum Verständnis erschwert oder unmöglich gemacht werden. „ (48)

Kienast unterscheidet drei Gruppen von Schrifttum jener assyrischen Zeit:

Texte der täglichen Praxis – hierunter fallen von Liebesbriefen, diplomatischen Nachrichten bis Verwaltungsurkunden und Verträgen alle möglichen Schriftstücke. Eine klare Systematisierung ist bei Kienast nicht zu erkennen.

„Die staatliche Verwaltung der sog. dritten Dynastie von Ur im ausgehenden 3. Jahrtausend v. Chr. hat uns weit über 50.000 Wirtschaftsdokumente hinterlassen. „ (51)

Wissenschaftliche Texte

„Dazu gehören etwa: Mathematische Tabellen und Aufgabensammlungen, astronomische Listen, pharmazeutische Vorschriften, Rezepte, Anweisungen zur Glasherstellung oder auch eine Anleitung zu Trainierung von Wagenpferden." (52)

Dichtung – nur wenige Bauernschriften und Annalen der verschiedenen Herrscher sind überliefert. Neben dieser chronikartigen Literatur gibt es einzelne Traktate religiösen Inhalts. Erst ab dem 12. / 13. Jahrhundert v. Chr. tritt ein Babylonien so etwas wie belletristische Literatur auf.

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